Das Geheimnis in der Zeitkapsel
11.10.2024 BeinwilIm Turm der St. Wendelinskapelle auf dem Horben versteckt sich ein besonderes Juwel: Eine Zeitkapsel. Sie ist golden und beherbergt Erinnerungsstücke aus vergangenen Zeiten. Ein Dokument, welches darin liegt, bringt Erstaunliches zutage.
RAHEL HEGGLIN
Es ist ...
Im Turm der St. Wendelinskapelle auf dem Horben versteckt sich ein besonderes Juwel: Eine Zeitkapsel. Sie ist golden und beherbergt Erinnerungsstücke aus vergangenen Zeiten. Ein Dokument, welches darin liegt, bringt Erstaunliches zutage.
RAHEL HEGGLIN
Es ist ein mit Schreibmaschine verfasstes Dokument von Albert Kreyenbühl aus dem Jahre 1952, welches er als Beinwiler Gemeindeschreiber ad interim schrieb und eine Kopie davon in einem Ordner in seinem Zuhause ablegte. «Wie es so ist, verstaut man die Kisten mit diesen Ordnern auf dem Estrich», erklärt Albert Kreyenbühl, der Sohn des gleichnamigen, damaligen Ad-interim-Gemeindeschreibers. Als sein Vater starb und er das Elternhaus seinem Bruder verkaufte, entrümpelte er den Estrich und fand die Kisten. Beim Stöbern durch die vielen Ordner entdeckte er das Dokument mit dem Titel: IN MEMORIAM renovationis huius capellae anno Domini MDCCC-CLII. Unter dem Titel steht: «Mensch von morgen sei versichert, dass das Heute Dir seinen Segen und die besten Wünsche sendet.» Was etwas kryptisch daherkommt, wird im Textteil verständlich und zeigt, mit welchen Herausforderungen die Gemeinde vor gut 70 Jahren konfrontiert war.
Von Seuche verschont
Es steht nämlich, dass sich im Herbst 1951 die Maul- und Klauenseuche aus Deutschland und Frankreich in der Schweiz bis ins Freiamt ausbreitete. Auch die Nachbargemeinden von Beinwil waren betroffen. Die Beinwiler Bauern vereinbarten, dass sie die St. Wendelinskappelle auf dem Horben renovieren würden, wenn die Seuche nicht in die Gemeinde übertritt. Dies war tatsächlich dann auch der Fall, und so nahm man die Renovation in Angriff. Wie teuer diese damals war, steht nicht im Dokument. Nur, dass die Renovation 1952 abgeschlossen war, wer in der Baukommission damals waltete und wie die Gemeinde aufgestellt war.
Interessante Zahlen
Im Jahr 1951 zählte die Gemeinde 764 Einwohnende (am 31. Dezember 2023 waren es 1’296). Es gab 84 Bauernbetriebe mit insgesamt 57 Pferden, 1’588 Rindern und 984 Schweinen. Interessant war auch, wie viel die Bauern damals für ihre Produkte erhielten. So zeigt das Zeitdokument, dass pro 100 Kilogramm Weizen ein Preis von 64 Franken bezahlt wurde oder ein Kilogramm lebend Rindfleisch 2.70 Franken wert war. In der gesamten Gemeinde waren 18 Personenwagen und 38 Landwirtschaftstraktoren registriert.
Hundert Jahre zurück
Für Kreyenbühl hat das Dokument einen emotionalen Wert. Er weiss, wegwerfen wäre schnell gemacht. «Aber das kann man nur einmal. Dann sind die Dokumente für immer weg. Das wäre schade.» In seinem Fundus befinden sich rund zehn Ordner mit alten Verträgen. Diese stammen teilweise noch aus der Zeit seines Grossvaters, der ebenfalls Gemeinderat und -ammann war. Kreyenbühl zeigt Kaufverträge, die von seinem Grossvater von Hand geschrieben wurden und teilweise von Anfang 1900 stammen. Viele der Personen, die in diesen Verträgen vorkommen, oder Nachfahren von ihnen kennt Kreyenbühl persönlich. Dies, weil er sein ganzes Leben in Beinwil lebte. Auch er war Beinwiler Gemeinderat (1969 bis 1982) und amtete als Vizeammann.
Zeitkapsel bleibt verschlossen
Aber zurück zur Zeitkapsel in der St. Wendelinskapelle. Leider ist nicht bekannt, welche Dokumente sich sonst noch darin verstecken. Bei der kürzlich vorgenommenen Renovation hat man die Zeitkapsel nicht geöffnet. «Am Kirchturm wurde lediglich der Hagelschaden saniert. Die Kapsel zu öffnen, war kein Thema», sagt Silvia Leuthard-Wehle, Präsidentin der Kirchenpflege Beinwil.
Museum für die Nachwelt
Kreyenbühl würde sich wünschen, dass man die alten Dokumente, welche er bei sich aufbewahrt, in einem kleinen Museum der Öffentlichkeit zugänglich machen würde. «In einem Archiv bei der Gemeinde würden sie nur verstauben. In einem Museum könnte man beispielsweise auch alte Vereinsfahnen zeigen, welche es in den Restaurants teilweise noch gibt. Auch diese Betriebe verschwinden immer mehr und damit auch die alten Fahnen», resümiert der 82-Jährige. Einen geeigneten Platz für das Museum wüsste er auch bereits: «Das alte Feuerwehrlokal würde sich dafür bestens eignen.»