Was braucht die ältere Bevölkerung?
24.01.2025 SinsZum 15. Mal fand das Altersforum Bezirk Muri statt. Fachvertreter informierten über die aktuelle Situation und gaben einen Ausblick in die Zukunft. Die ältere Bevölkerung wird künftig wachsen und befindet sich in einem nie da gewesenen Lebensabschnitt.
...Zum 15. Mal fand das Altersforum Bezirk Muri statt. Fachvertreter informierten über die aktuelle Situation und gaben einen Ausblick in die Zukunft. Die ältere Bevölkerung wird künftig wachsen und befindet sich in einem nie da gewesenen Lebensabschnitt.
RAHEL HEGGLIN
Eingeladen wurde von der Fachgruppe Alter&Gesundheit Repla Oberes Freiamt. Rund vierzig Personen, darunter Gemeinderäte sowie Vertreter von Institutionen aus dem Gesundheitsbereich fanden sich im Hotel Arcade ein. Die Begrüssung übernahm Hans-Peter Budmiger, Vorsitzender der Fachgruppe sowie Gemeindepräsident in Muri. Er informierte, dass es an der Zeit sei, Lösungen über vorgelagerte Wohnformen zu finden. «Im Jahr 2050 wird ein Viertel der Aargauer Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. Diese Personen sind meistens fit und brauchen kein Pflegeheim. Für diese Bevölkerungsgruppe braucht es vorgelagerte Wohnformen. Auch um die Strukturen der Pflegeheime langfristig zu entlasten.»
Die Planung muss jetzt angegangen werden
Das erste Referat hielt Roland Guntern von der Pro Senectute Aargau. Er informierte über den Richtwert der Pflegebetten und wie sich die Nachfrage nach diesen künftig verändern wird. «Aktuell stehen wir bei einem Richtwert von 16,4 Prozent. So viele Pflegebetten braucht es pro Anzahl 80-Jähriger und älter im Bezirk Muri.» In Zahlen ausgedrückt sieht es im oberen Freiamt aktuell gut aus: «Wir haben rund 120 Betten, die nicht belegt sind. Das wird sich aber zukünftig ändern», so Guntern. Er zeigte auf, dass es ab 2040 rund 220 Betten zu wenig gibt. Im Jahr 2050 dürften es schon mehr als 530 Betten sein. Dies hat auch mit dem Bevölkerungswachstum der 80-Jährigen und Älteren zu tun. «Aktuell leben im oberen Freiamt gut 1’500 Personen in dieser Alterskategorie. Im Jahr 2050 werden es rund 5’140 sein.»
Auch er wies darauf hin, dass viele ältere Personen sich in einer Pflegestufe zwischen 0 – 3 befinden. «Diese Personen brauchen kein Pflegeheim. Deshalb müssen wir über neue Wohnformen nachdenken. Es braucht Angebote im Betreuten Wohnen», erklärte Guntern.
Weiter relativierte er, dass die Situation aktuell nicht dramatisch ist, grössere Vorhaben aber jetzt geplant werden müssen, damit sie zeitig parat sind.
Gibt es bald eine einheitliche Gesundheitsorganisation?
Im zweiten Referat informierte Jeanette Bucher vom Spital Muri über das Projekt «Integrierte Versorgung». Hierfür wurde im vergangenen November eine Projektgruppe gegründet. Bei diesem Projekt geht es grob darum, eine Gesundheitsorganisation für das obere Freiamt zu schaffen. Dazu könnten Spitäler, medizinische Zentren und weitere Leistungserbringer wie die Spitex zählen. «Diese vielen Leistungserbringer zusammenzuführen, bringt unglaublich viele Fragen. Unter anderem: Wie sind die Rahmenbedingungen?, Was braucht es für gesetzliche Anpassungen? oder: Wie wird das Ganze finanziert? Aktuell würden die meisten Versorger unabhängig agieren. Was würde es bedeuten, wenn diese plötzlich als Gemeinschaft handeln?
Welche Eigentümerverhältnisse würden dann gelten? Und wäre die Gesellschaft überhaupt für diesen Paradigmenwechsel bereit? Damit zeigte sie, wie schwierig es sein wird, eine integrierte Versorgung in der Region zu schaffen. Dennoch soll das Projekt angegangen werden. Die erste Sitzung der neu gegründeten Projektgruppe findet am 1. Februar statt, eine erste Berichterstattung kann im Juni erwartet werden.
Radikal neues Alter
Zum Abschluss teilte der Philosoph und Publizist Ludwig Hasler seine Gedanken zum Alter mit. Er ist selbst 80-jährig und stellte sein Referat unter den Titel: «Für ein Alter, das noch etwas vorhat.» Eine Powerpoint-Präsentation brauchte er nicht. Er sprach frei und lebhaft, was ihm ab und zu Lacher einbrachte. Aber das war nicht seine Absicht. Er brachte das Publikum dazu, über die neue Generation der Pensionäre nachzudenken. «In der ganzen Geschichte der Menschheit hat es noch nie so rüstige alte Menschen gegeben. Wir hinken in unserem Bild der Alten hinterher.» So informierte er auch, dass Glücksforscher die Lebenszufriedenheitskurve anpassen würden. «Früher erreichte man den Höhepunkt der Zufriedenheit mit 17 Jahren.
Danach ging es nur bergab. Nun zeigt sich, dass die Zufriedenheit im Alter wieder ansteigt und einen erneuten Höhepunkt mit 66 Jahren erreicht. Die Zufriedenheitskurve hat neuerdings die Form eines U.»
Nützlich machen
Damit man aber nach der Pensionierung die neu gewonnene Freiheit geniessen kann, brauche es eine sozial gute Integrierung. «Wer im Alter einsam ist, ist selbst schuld», sagte er provokativ. Es sei wichtig, dass man Beziehungen pflege und diese nicht erst dann versuche aufzubauen, wenn man alt und schwach ist. Das sei eine Aufgabe, die man zu rüstigen Zeiten angehen müsse. «Die glücklichsten Menschen im Alter sind diejenigen, die etwas tun. Und zwar nicht nur für sich, sondern auch für andere.» In diesem Sinne erinnerte er auch an die Erfahrung, die ältere Menschen mitbringen und appellierte an Arbeitgebende, dass erfahrene Menschen sehr wertvoll seien. So sollte man über neue Arbeitsmodelle für ältere Menschen nachdenken. Solche, die sie nicht abrupt mit 65 in die Pension entlassen, sondern die auch darüber hinaus wahrgenommen werden können. Zum Beispiel in der Funktion eines «Seniors», der beratend den Jüngeren zur Seite steht.
Nach diesen Eindrücken und Gedanken klang der Abend bei einem Apéro aus.



