Stimmungsvoller Sinser Räbeliechtliumzug
11.11.2022 SinsTraditionsgemäss Anfang November verwandeln kunstvoll geschnitzte, leuchtende Räben die Strassen vieler Oberfreiämter Gemeinden in ein Lichtermeer. Ein Brauch, der auf das Mittelalter zurückgeht und nicht aus dem jährlichen Veranstaltungskalender wegzudenken ...
Traditionsgemäss Anfang November verwandeln kunstvoll geschnitzte, leuchtende Räben die Strassen vieler Oberfreiämter Gemeinden in ein Lichtermeer. Ein Brauch, der auf das Mittelalter zurückgeht und nicht aus dem jährlichen Veranstaltungskalender wegzudenken ist.
EVELYNE HEEB
Zu den wichtigen Grundnahrungsmitteln zählten sie einst, die Herbstrüben. Die Hochblüte erlebte das runde, oben violett gefärbte Wurzelgemüse im Mittelalter. Um deren Ernte, und damit die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung während der Winterzeit zu feiern, veranstalteten die Bauern einen Gottesdienst. Dazu sollen die Bäuerinnen einige Knollen zu Laternen geschnitzt haben, die ihnen den dunklen Weg zur Kirche erhellten. Erst mit der Verbreitung der Kartoffel verloren die Räben an Bedeutung und werden heute kaum mehr angebaut.
Uneingeschränkter Beliebtheit erfreuen sich die Feldfrüchte aber nach wie vor bei den Kindergarten- und Primarschulkindern. Der Tag des Räbeliechtliumzugs ist zu einem ersehnten Fixpunkt in der vorwinterlichen Jahreszeit geworden.
Gemeinsames Schnitzen
Es ist kurz nach zehn Uhr am Donnerstagmorgen der vergangenen Woche. Aus den Klassenzimmern des Schulhauses Letten tönt fröhliches Stimmengewirr, der Duft nach erdig-pikantem Rübenfleisch steigt einem in die Nase. Die 2. Klasse von Petra Betschart sitzt verteilt an grossen Tischen, vor ihnen Schnitzmesser, Kugelausstecher und Guetsliförmli ausgebreitet. Gebannt lauschen sie den Worten ihrer Lehrerin, die schrittweise die Entstehung der Kunstwerke erklärt. Dann gehts los. Deckel abschneiden, aushöhlen, verzieren. Alles mit grosser Sorgfalt, aber perfekt muss es nicht sein. Kleine Missgeschicke gehören dazu. «Das sieht man im Dunkeln sowieso nicht», sind sich die Kinder einig.
Genauso zum Schnitzen dazu gehört das Schnausen des weissen, vitaminreichen Fruchtfleisches. «Es schmeckt superlecker», erklärt die achtjährige Stella mit vollem Mund. Tatsächlich erinnert der Geschmack an würzige Kohlrabi und wird vor allem in der Westschweiz noch in der Küche verwendet. Dort werden die Herbstrüben eingesäuert wie Weisskohl. Auch die «Räbebappe» kennt man in einigen Gegenden – ein Mus aus weichgekochten Räben und Kartoffeln, verfeinert mit Rahm und Butter. Doch dies interessiert die Kinder herzlich wenig, viel zu sehr fiebern sie dem abendlichen Umzug entgegen. Eliot freut sich vor allem auf das Liedersingen. Und für Livio zählt: «Dann dürfen wir länger aufbleiben!»
Umzug als krönender Abschluss
Der lang ersehnte Moment ist da: Kurz vor halb sechs versammeln sich über 250 Kinder vom kleinen Kindergarten bis zur 4. Klasse vor dem Schulhaus. Klassenweise reihen sie sich ein und posieren stolz für Erinnerungsfotos. Dann verstummt das erwartungsvolle Gemurmel und warme Saxophon- und Klarinettenklänge erfüllen die Nacht. Die ganze Schar stimmt gemeinsam das Lied «Räbeliechtli, Räbeliechtli, wo gosch hi…» an und der leuchtende Tatzelwurm setzt sich langsam in Bewegung. Über die Passarelle zum Pausenplatz Ammannsmatt und zurück mit einer kleinen Schlaufe vorbei am Alters- und Pflegeheim Aettenbühl. Eltern, Grosseltern, Gottis und Göttis säumen die Strassen und applaudieren. Ein wahrlich schöner Anblick.
Süsser Ausklang
Zurück im Letten sind vor allem die Jüngsten doch ziemlich geschafft vom Marsch und nehmen von ihren Lehrpersonen dankbar das stärkende Brötli entgegen. Daneben zieht das leckere Kuchenbuffet der 4. Klasse die Aufmerksamkeit auf sich. Die Schülerinnen und Schüler von Antje Duckstein haben fleissig gebacken und sammeln für die Klassenkasse. Dann, ganz langsam, geht der stimmungsvolle Anlass zu Ende und die Familien nehmen den Heimweg unter die Füsse. Dabei hört man nicht nur die Kinder summen: «Mini Räbe lüüchtet, i de dunkle Nacht…»