Pionierprojekt soll Strom für Haushaltungen liefern
02.05.2025 BeinwilWer an Ostern in seinen Briefkasten schaute, hielt mit grosser Wahrscheinlichkeit den Flyer des Landgutes Weitsicht in den Händen. Damit werden Energieabnehmer für die zukünftigen Agri-Photovoltaikanlage in Beinwil gesucht.
RAHEL HEGGLIN
Hinter dem ...
Wer an Ostern in seinen Briefkasten schaute, hielt mit grosser Wahrscheinlichkeit den Flyer des Landgutes Weitsicht in den Händen. Damit werden Energieabnehmer für die zukünftigen Agri-Photovoltaikanlage in Beinwil gesucht.
RAHEL HEGGLIN
Hinter dem Projekt steht Eva Kollmann. Die gebürtige Österreicherin hat vor 15 Jahren das 6,4 Hektar grosse Land gekauft. Ihr Ziel war und ist es, ein natürliches Lebensmittelproduktionssystem mit den richtigen, standortgerechten Tieren bei maximaler Gesundheit von Boden, Tieren, Pflanzen und Menschen zu schaffen, wie sie sagt: «Wir brauchen nicht mehr vom Gleichen, sondern mehr Einzigartiges, Ursprüngliches und Natürliches. So soll die Landwirtschaft in Zukunft aussehen, und so handhabe ich es auf meinem Landgut.»
AgriPV-Anlage bietet auch Schutz für Bäume
Auf ihrem Land wachsen unter anderem Wildrosen, Wildfruchthecken und Hochstammbäume. «Wir haben im vergangenen Jahr mehrere Tonnen Kornel, Wildpflaumen oder schwarze Apfelbeeren geerntet, dazu 69 Rundballen Heu», so die Landwirtin und gelernte Industrieingenieurin. Die ganze Bewirtschaftung der Kulturen, Hecken oder Gräser geschieht aus Überzeugung elektrisch. «Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und –wandel. Mit der umweltschonenden Bewirtschaftung können wir auch die Artenvielfalt auf unserem Gut fördern.» Deshalb will die 62-Jährige nun drei der zwölf Reihen Kornel mit einer AgriPV-Anlage überdecken, um Lebensmittel wie auch erneuerbare Energie auf derselben Fläche zu produzieren. Anders als herkömmliche Anlagen ist die geplante AgriPV leicht bewegbar und folgt dem Lauf der Sonne, was den Energieertrag deutlich verbessere. «Zudem bietet die Anlage Schutz vor Hagel und Starkregen für die darunter wachsenden Bäume. Da es nie gerade von oben nach unten regnet, werden auch die Kulturen nebenan geschützt», erklärt Kollmann.
Grünes Licht für den Bau
Mit diesem Konzept leistet Kollmann im Kanton Aargau Pionierarbeit. Die Baubewilligung hat sie bereits erhalten. Diese wurde für zwölf Reihen eingegeben, nun sollen es aber nur noch drei Reihen werden, weshalb es eine Abänderung der Baubewilligung braucht. «Diese liegt aktuell noch beim Kanton zur Prüfung. Ich rechne jeden Tag mit der Bewilligung.» Auch gegen Einsprachen musste sie sich nicht gross wehren: «Es gab eine Einsprache, die wir im klärenden Gespräch abwenden konnten.»
Nun wartet sie also auf die Bewilligung, damit sie die nächsten Schritte zum eigenen Strom machen kann. «Sobald wir loslegen können, werden Bodenproben genommen, damit wir die exakten Standorte für die Pfähle eruieren können.» Die Masten, wie hoch die PV-Anlage über den Kulturen gebaut wird, sind bereits ausgesteckt. Sind die Panels montiert, wird Wiggwiler-Strom für die lokale Bevölkerung produziert. Als «Transporteur» kann Kollmann die Netze der Elektra Beinwil nutzen. Nur, den Strom an die Elektra Beinwil verkaufen, das will sie nicht. «Das wäre für mich ein Minus-Geschäft. Ich müsste diesen zu einem fixen Bundesmindesttarif von 6,2 Rappen pro Kilowattstunde verkaufen. Selbstverständlich bin ich offen für Verhandlungen und Angebote der Elektra, denn auch mir liegt die Regionalität, gepaart mit anständigem Unternehmertum, am Herzen.»
Strombezug aus AgriPV-Anlage
Deshalb ist sie nun auf der Suche nach lokalen Abnehmern. Diese sollen ihren Strom zu einen Fixpreis bekommen und auch von tieferen Netzgebühren als bei der Elektra profitieren. «Wer den Strom bei mir bezieht, unterstützt ein wegweisendes Projekt zur Integration von Landwirtschaft, Biodiversität und erneuerbarer Stromerzeugung. Zudem kann man sich gegen zukünftige Strompreisschwankungen absichern und hat eine langfristige Planungssicherheit.»
Die Resonanz aus der Bevölkerung sei bisher positiv, und einige hätten ihr bereits eine Zusage gegeben. «Diesen Menschen geht es auch darum, zu wissen, woher der Strom kommt und wie dieser produziert wird.» Kollmann rechnet, dass sie pro Jahr rund 500’000 Kilowattstunden Strom produzieren kann, was für rund 80 Haushaltungen im Dorf reichen würde.
Die Baubewilligung ist per 1. Januar 2026 ausgelegt. Ab dann soll die neu erstellte AgriPV-Anlage in Wiggwil Strom für die Beinwiler Haushaltungen liefern.