Handeln, bevor es zu spät ist!
03.10.2025 OberrütiDie Bevölkerung war vergangene Woche zum Fachvortrag «Vorsorge für alle Fälle» eingeladen worden. Dabei ging es nicht nur um Erbfragen bei Tod, sondern auch um die Vorsorge bei einer Urteilsunfähigkeit.
RAHEL HEGGLIN
Organisiert war ...
Die Bevölkerung war vergangene Woche zum Fachvortrag «Vorsorge für alle Fälle» eingeladen worden. Dabei ging es nicht nur um Erbfragen bei Tod, sondern auch um die Vorsorge bei einer Urteilsunfähigkeit.
RAHEL HEGGLIN
Organisiert war der Abend von der Gemeinde und der Kulturkommission. Diese wollte damit einen Schritt auf die Bevölkerung zu machen: «Wir organisierten bisher lediglich den Neujahrsapéro sowie einen Apéro für das Gewerbe. Mit Abenden wie diesem wollen wir diese Apéros zukünftig ergänzen», sagt Pius Hofstetter, Präsident der Kulturkommission. Mit der Wahl des ersten Vortragsthemas haben er und seine Kommissionskollegen ins Schwarze getroffen. Rund 70 Personen kamen am Donnerstagabend in die Mehrzweckhalle.
Sich frühzeitig darum kümmern
Als Referenten konnten Sandra Riner, Leiterin Vertrieb bei der Raiffeisenbank Oberfreiamt, und der Leiter Geschäftsstelle Sins & Privatkundengeschäft, Christoph Stocker, gewonnen werden. Nach einer Begrüssung durch Hofstetter übernahm Stocker die Einleitung in den Abend. Er erklärte, warum es so wichtig ist, sich frühzeitig mit den Themen Vorsorge auseinanderzusetzen. «Schieben Sie solche Sachen nicht auf, bis Sie beispielsweise kurz vor einer Operation stehen. Dann haben Sie andere Sorgen.» Um dies zu unterstreichen, erzählte er seine eigene Erfahrung, die er vor zwölf Jahren machte. Nach einem unvorhersehbaren Schicksal musste er sich vor einer achtstündigen Operation in der Familie noch damit auseinandersetzen, wer im Falle des Todes wie erben würde. «Das ist sehr schlimm und nicht der richtige Moment, solche Entscheide zu fällen. Regeln Sie es dann, wenn Sie Zeit und Ruhe haben.» Er erklärte, dass zwar viele Menschen klare Vorstellungen darüber haben, was nach ihrem Tod mit ihrem Vermögen geschehen soll. Allein die Vorstellungen im Kopf würden aber nicht ausreichen, da das Gesetz keine perfekte Lösung vorsieht. In der Schweiz regelt etwa ein Viertel der Menschen zwischen 55 und 70 Jahren ihren Nachlass selbst. Der Rest verlässt sich auf die gesetzliche Erbfolge, die in vielen Fällen nicht den persönlichen Vorstellungen entspricht. Zudem riskiert man auch das Einschreiten der KESB. Zum Beispiel, wenn die Erbengemeinschaft aus dem überlebenden Elternteil und dem noch minderjährigen Kind besteht. Aus der Perspektive der KESB könnten dann unter Umständen die Interessen des Kindes gefährdet sein. Das hätte zur Folge, dass die KESB einschreitet und der überlebende Partner bei einem allfälligen Verkauf der Liegenschaft in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt ist.
Die drei Güterstände
Die unterschiedlichen gesetzlichen Erbbezüger erläuterte die Leiterin Vertrieb der Raiffeisenbank, Sandra Riner. Als Erstes erklärte sie, dass das Güterrecht eine wichtige Grundlage bildet, welches vor der eigentlichen Erbteilung wirksam wird. Dabei gibt es drei Güterstände: Die Errungenschaftsbeteiligung, die Gütergemeinschaft und die Gütertrennung. Der am meisten verbreitete Güterstand in der Schweiz ist die Errungenschaftsbeteiligung. Hier behält jeder Ehepartner sein Eigengut wie mitgebrachtes Vermögen oder persönliche Gegenstände, während die während der Ehe erwirtschaftete Errungenschaft im Todesfall halbiert wird. Bei der Gütergemeinschaft hingegen, wird fast das gesamte Vermögen ins Gesamtgut eingebracht, von dem im Todesfall die Hälfte an den überlebenden Ehepartner fällt. Die dritte Form ist die Gütertrennung. Dabei hat jeder Ehepartner nur sein eigenes Eigengut, es gibt keine gemeinsame Vermögensmasse.
Damit im Todesfall eines Ehepartners nicht Personen erben, die man nicht oder noch nicht begünstigen will, kann durch einen Ehe- und Erbvertrag dem überlebenden Partner mehr zugesprochen werden als das Gesetz im Erbrecht vorsieht.
Erbrecht mit fixer Abfolge
Das seit 2023 revidierte Erbrecht sieht eine sogenannte Parentelordnung vor. Als Erstes erben direkte Nachkommen wie Kinder, Enkel oder Urenkel. Sind solche nicht vorhanden, erben Personen aus dem zweiten Stamm. Das sind Eltern und Geschwister. Im dritten Stamm kämen Grosseltern und Cousins zum Zuge. «Sobald in einer Parentel erbberechtigte Personen vorhanden sind, endet die Suche nach weiteren Erben», erklärte Riner. Zur Umsetzung persönlicher Vorstellungen kann neben dem Ehe- und Erbvertrag auch ein Testament geschrieben werden.
Was ist, wenn ich nicht mehr urteilsfähig bin?
Riner beleuchtete aber nicht nur die Situation im Todesfall, sondern auch die Situation bei einer Urteilsunfähigkeit. «Urteilsunfähigkeit kann jeden treffen. Dies meist im Alter durch Demenz, aber auch plötzlich nach einem Unfall oder bei Krankheit.» Deshalb sei es wichtig, rechtzeitig festzulegen, wer für einen handeln und entscheiden soll. Dazu dient der Vorsorgeauftrag. Macht man dies nicht, springt die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ein und versucht im Sinne der urteilsunfähigen Person zu handeln. «Das kann im schlimmsten Fall nicht im Sinne des einen Ehepartners sein. Dieser kann dann aber nicht mehr allein über gemeinsame Mittel Entscheidungen treffen», so Riner.
Ergänzend zur Vorsorge kann eine Patientenverfügung erstellt werden. Darin legt man medizinische Massnahmen fest, etwa ob lebenserhaltende Behandlungen durchgeführt werden sollen. So nimmt man Angehörigen die schwierige Verantwortung ab, in existenziellen Fragen bestimmen zu müssen. Vorlagen gibt es von Ärzten, Spitälern oder Institutionen wie der Pro Senectute.
Die Anwesenden konnten während der gesamten Referatsdauer immer wieder Fragen stellen, die gleich beantwortet wurden. Wer diese lieber im kleinen Rahmen diskutieren wollte, konnte dies beim anschliessenden Apéro tun.