Grosseinsatz für einen guten Start ins Leben
19.07.2024 RegionMeienberg Hunde sind wichtig in Urs Michels Leben. Vier Hunde sind seine täglichen Begleiter, er führt eine Hundeschule und er züchtet Barbets, Französische Wasserhunde. Mit seiner Frau hat er sieben Würfe ins Leben begleitet.
ANNETTE ...
Meienberg Hunde sind wichtig in Urs Michels Leben. Vier Hunde sind seine täglichen Begleiter, er führt eine Hundeschule und er züchtet Barbets, Französische Wasserhunde. Mit seiner Frau hat er sieben Würfe ins Leben begleitet.
ANNETTE KNÜSEL
Früher hatte Michel Deutsche Schäferhunde, seine Frau hielt Border Collies. Beides sind Rassen, die von ihren Haltern jeden Tag viel Beschäftigung einfordern: Sie wollen etwas zu tun haben, Aufgaben lösen und Herausforderungen meistern. Irgendwann entschied das Ehepaar, sich nach einer anderen Hunderasse umzuschauen.
Vom Jagd- zum Familienhund
Auf der jährlichen Hundeausstellung in Luzern entdeckten sie die Barbets. Deren Charakter wird als fröhlich und aufgestellt beschrieben, sehr aufmerksam, aber niemals nervös. Fremden Menschen gegenüber sind Barbets freundlich und aufgeschlossen, mit der eigenen Familie sehr verbunden. Es sind Hunde, die man nicht zu lange alleine lassen sollte. Ursprünglich für die Jagd gezüchtet, gehen alle Barbets gerne ins Wasser. Ihre auffälligen Haare, lockig und dicht, schützen sie vor Verletzungen, zum Beispiel durch Schilf.
Alles, was die Michels über diese alte französische Rasse in Erfahrung brachten, gefiel ihnen. Und so zog vor fast 15 Jahren Welpe Joy ein. Er entwickelte sich zu einem prachtvollen Rüden. So prachtvoll, dass die Michels ihn schliesslich für die Zuchtzulassung anmeldeten.
Zucht bedeutet strenge Auswahl
Damit ein Hund für die Zucht eingesetzt werden darf, muss er körperlich gesund sein und auch vom Charakter her dem Rassestandard entsprechen. So muss er medizinische Untersuchungen, einen Gentest und eine Wesensprüfung bestehen. Nur ein Hund, der alle Kriterien erfüllt, wird vom Zuchtverband zugelassen. Joy bestand alle Prüfungen und stand von nun an als Deckrüde zur Verfügung. Im Jahr 2016 hatten die Michels dann ihren ersten eigenen Wurf von Joy und ihrer Hündin Drosera.
In der Zeit zwischen Geburt und Abgabe eines Wurfes dreht sich im Leben eines Züchters alles um die Hündin und ihre Welpen. Bei den Michels wird die Wurfkiste kurz vor dem errechneten Geburtstermin mitten im Wohnzimmer aufgestellt. Die Hündin hat meist vorher schon angefangen, aus Kissen und Decken ein Nest zu bauen. Aber sie zieht gerne in die Wurfkiste um. Diese hat einen beheizbaren Boden und einen Rand, der so hoch ist, dass die Hündin jederzeit aussteigen kann, die Welpen aber nicht.
Das ganze Rudel hat einen Wurf
Die Geburt kann bis zu zwölf Stunden dauern und die Hündin macht in der Regel alles alleine. Sie schleckt die Neugeborenen trocken und animiert sie damit auch zum Atmen, frisst die Planzenta und zeigt dem Neuankömmling den Weg zur Milchzitze. Nur wenn die Welpen sehr schnell hintereinander kommen, muss Michel helfen, indem er zum Beispiel die Welpen von der Fruchtblase befreit. «So eine Geburt ist eine ziemlich blutige Geschichte», sagt er lakonisch. Im Falle von Komplikationen wäre der Tierarzt innerhalb von zehn Minuten vor Ort. Doch das war noch nie nötig. Der Tierarzt kommt erst nach vier oder fünf Tagen, um Welpen und Hündin zu untersuchen.
Von nun an ist Michel rund um die Uhr für die Hündin da. Alles Ausserhäusige erledigt in dieser Zeit seine Frau. Er schläft im selben Raum wie seine Hündin und hat immer ein Auge auf die kleine Familie. Nach zwei Wochen ziehen die Welpen von der Wurfkiste in ein grösseres Gehege, ebenfalls im Wohnzimmer der Familie. Mit drei bis vier Wochen dürfen sie zum ersten Mal ins Freie. Sie werden in den Garten getragen und dürfen dort die Gegend erkunden und die anderen Hunde des Rudels kennenlernen. In dieser Zeit beginnt die Mutter auch, sich mal für ein oder zwei Stunden zu entfernen. Dann schaut eine andere Hündin nach den Kleinen. «Das Rudel hat einen Wurf», sagt Michel, «nicht nur die Hündin.»
Auf den Charakter kommt es an
In der Schweiz wurden im Jahr 2023 nur 63 Barbet-Welpen geboren. 2022 waren es 108 Welpen, so viele wie noch nie. Entsprechend kann Michel sich seine Welpenkäufer aussuchen. Interessenten melden sich bei ihm und werden schon vor der Geburt zu einem Besuch eingeladen. Michel möchte sie kennenlernen, vor allem ihre Erwartungen an den Hund. Wird ein gemütlicher Familienhund gesucht oder eine Sportskanone? Würde ein Draufgänger passen oder besser ein eher vorsichtiger Hund? Und, ganz wichtig: Wäre ein Barbet überhaupt die richtige Rasse für diese Menschen?
Sobald Michel weiss, wie viele Welpen in der Wurfkiste liegen, kann er gegenüber den Interessenten verbindliche Zusagen machen. Durch stete Beobachtung der Welpen lernt er sie schon früh gut kennen und stellt die passenden Hund-Mensch-Teams zusammen. Die Farbe des Hundes ist dabei völlig egal. Wichtig ist, dass es charakterlich passt. Seine Welpenkäufer begleitet Michel auch über den Kauf hinaus, oft zwei bis drei Jahre lang. Die meisten haben früher oder später Fragen, weil der Hund sich anders verhält, als sie erwartet haben.
Guter Start für ein gutes Leben
Manchmal wird die Frage gestellt, ob man angesichts voller Tierheime überhaupt züchten sollte. Für Michel gibt es einen wichtigen Grund, warum es Züchter braucht: Sie haben Hunde ohne problematisches «Gepäck» zu vergeben. Und sie stehen ihren Hundekäufern auch nach dem Kauf zur Seite. Dank ihrer Hilfe haben auch Ersthundehalter eine echte Chance, ihren Hund so zu formen, dass Mensch und Hund gemeinsam ein gutes Leben führen können. Mit einem Hund aus dem Tierschutz dagegen kann ein unerfahrener Halter schnell an seine Grenzen kommen.
Obwohl er mit Feuer in den Augen von den Highlights und den Schwierigkeiten der Hundezucht erzählt, hat Michel schon einige Zeit keinen Wurf gehabt. Seine Hündin Trisha, mit der die Zucht weitergehen sollte, ist inzwischen schon sechsjährig. Grund ist der viel zu frühe Tod seiner Frau. «Alleine ist das Züchten schwierig», sagt Michel, und man glaubt es sofort. Hundezucht ist aufwändig, rein finanziell ein Verlustgeschäft. Sie braucht Leidenschaft, Ausdauer – und mehr als einen Menschen.