Gemeinden ringen um Lösungen im Asylbereich
24.01.2025 RegionDer Kanton Aargau hält die Notlage im Asylbereich aufrecht. Dies, weil die Situation in den Bereichen Unterbringung, Betreuung, Schule und Sicherheit angespannt ist. In den Oberfreiämter Gemeinden machen vor allem Unterbringungsmöglichkeiten Sorgen.
RAHEL ...
Der Kanton Aargau hält die Notlage im Asylbereich aufrecht. Dies, weil die Situation in den Bereichen Unterbringung, Betreuung, Schule und Sicherheit angespannt ist. In den Oberfreiämter Gemeinden machen vor allem Unterbringungsmöglichkeiten Sorgen.
RAHEL HEGGLIN
Per 1. Januar 2025 lebten im Kanton Aargau 9’572 Personen aus dem Asylbereich. Das sind 546 Personen mehr als zum gleichen Zeitpunkt 2024. Zugewiesen wurden im vergangenen Jahr 2’609 Personen. Gemeinden, welche ihre zugewiesene Aufnahmequote nicht erreichen, müssen Ersatzabgaben leisten. Diese betragen 90 Franken pro Person und Tag. In so einer Situation könnte sich bald die Gemeinde Beinwil befinden. Ihr Aufnahmesoll beträgt per Dezember 2024 16,32 Personen. Aktuell zählt die Gemeinde im Asylbereich zehn ukrainische Personen mit Status S und eine sechsköpfige Familie. Der Mann hat nun Arbeit gefunden, womit die Familie seit Oktober nicht mehr unterstützungspflichtig ist. Das heisst, die Familie kann für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen. «Es wird aber schwierig werden, dass sie in absehbarer Zeit eine eigene, bezahlbare Wohnung findet. So lange bleibt die jetzige Unterkunft besetzt. Diese würden wir aber dringend für neue Aufnahmen benötigen. Denn uns fehlen nun sechs Personen im Aufnahmesoll», erklärt die Gemeinderätin Franziska Stenico. Vom Kanton hat die Gemeinde eine Übergangsfrist von sechs Monaten erhalten. Ab dann müssen sechs neue Asylsuchende aufgenommen werden, damit die Ersatzabgabe nicht gezahlt werden muss.
Auch in Dietwil, Auw und in Oberrüti sind die Kapazitäten an Unterbringungsmöglichkeiten erreicht. «Wir müssen 17 Personen aufnehmen. Das haben wir erreicht. Wenn uns der Kanton eine höhere Aufnahmepflicht zuweist, können wir diese aktuell nicht erfüllen», gibt Nadine Burch von der Gemeinde Dietwil an. In Auw ist das Aufnahmesoll mit 26 Personen ebenfalls ausgeschöpft. Aufgrund mangelnder Unterkünfte müssen mehrere Parteien im gleichen Haushalt leben, wie der Gemeindeschreiber Stefan Schumacher angibt.
Integration läuft individuell
Anders als andere Gemeinden, hat Oberrüti bis anhin primär alleinstehende junge Männer aufgenommen. «Wir hatten grösstenteils gute Erfahrungen damit gemacht. Der eine oder andere konnte auch schon bald in den Arbeitsmarkt integriert werden und konnte so seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten», sagt der Gemeindeschreiber Patrick Troxler. Aktuell leben 21 Personen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich in Oberrüti – bis Ende Monat kommen noch zwei dazu. Das Aufnahmesoll beträgt 23. Die Personen sind in zwei Einfamilienhäusern, einer Wohnung sowie der Zivilschutzanlage untergebracht. Es gibt auch noch Personen, die privat untergebracht sind.
Die Integration laufe unterschiedlich gut. «Eine Person hat am vergangenen Neuzuzügeranlass teilgenommen, andere zeigen Interesse an einer Vereinszugehörigkeit. Eine solche Mitgliedschaft kann wertvoll sein. Vor allem im Erlernen der Sprache», ist Troxler überzeugt. Das kann aber auch eine Herausforderung sein, wie Burch mitteilt: «Es gibt auch solche, die aufgrund ihrer Herkunft unser Alphabet nicht kennen und zuerst dieses lernen müssen. Und es gibt solche, die sich nicht integrieren wollen. Bei denen wird die komplette Betreuung schwierig und zeitintensiv.»
Über Aufnahmesoll
In Abtwil und Mühlau konnten je drei Personen mehr aufgenommen werden, als das Soll betragen würde. In Abtwil leben derzeit 16 Personen aus dem Asylbereich, in Mühlau 19. In beiden Gemeinden sind gemäss Angaben der Gemeindeverantwortlichen die Personen gut integriert. «Die Leute sind in Vereinen dabei, und die Kinder gehen in die reguläre Schule», sagt die Mühlauer Gemeinderätin Hanna Hoenig. Der Mühlauer Gemeindeschreiber Thomas Isler ergänzt, dass die Asylsuchenden aber nur schwer eine Arbeitsstelle finden. «Ein grosses Hindernis ist die Sprache. Ein Grossteil besucht jedoch aus eigenem Antrieb Deutschkurse.»
Auch die Gemeinde Sins hat mehr Personen aufgenommen als sie müsste. «Es leben 61 Personen aus dem Asylwesen bei uns. Laut Kanton müssten wir 52 aufnehmen», so Sandra Muff, Gemeindeschreiberin II. Die Betreuung dieser Personen übernimmt die Caritas Aargau. Nebst Sins ist sie auch für die Auwer Asylsuchenden zuständig. Die Co-Geschäftsleiterin Fabienne Notter wäre froh, wenn die Gemeinden mehr Entscheidungsmacht hätten. «Das würde einige Prozesse effizienter machen. Beispielsweise müssen Ausgaben wie Brille, spezielle Lehrbücher oder Zugtickets beim Kanton beantragt werden. Es wäre besser, wenn es einen Weisungskatalog mit einem Kostendach gäbe. So könnten gewisse Leistungen schneller ausbezahlt werden.» Die anderen fünf Oberfreiämter Gemeinden konnten den Aufwand für ihre zugewiesenen Asylsuchenden bisher mit dem bestehenden Personal stemmen. Stenico ist zuversichtlich, dass auch die neugeschaffene Integrationsfachstelle im Bezirk Muri (RIF) den Gemeinden und den Asylsuchenden eine Stütze sein wird.
Es braucht Lösungen – jetzt
Dennoch sind sich die Gemeindeverantwortlichen einig, dass es vonseiten Bund und Kanton mehr Unterstützung braucht. Aus der Dietwiler Gemeindekanzlei heisst es etwa: «Die Politik ist gefordert, um realistische Ideen und umsetzbare Lösungen in einem vernünftigen Zeithorizont zu finden. Nicht nur Massnahmen für die Integration, sondern auch Massnahmen für erfolgreiche Rückführungen sind von Bedeutung.»
Wie viele Personen der Kanton Aargau in diesem Jahr aufnehmen muss, das hat das Staatssekretariat für Migration noch nicht bekannt gegeben. Man rechnet aber mit ähnlichen Zahlen wie 2024. Stenico, die auch Grossrätin ist, hofft, dass die Zahl nicht noch grösser wird: «Was geschieht, wenn der Flüchtlingsstrom noch mehr anzieht oder irgendwo noch ein Konflikt ausbricht, der zivile Personen auf den Fluchtweg nach Europa treibt? Dann frage ich mich: Wie viele Flüchtlinge kann die Schweiz wirklich noch aufnehmen?»