Essen retten und gratis weitergeben
18.10.2024 OberrütiDie wenigsten wissen davon: In Oberrüti gibt es regelmässig kostenlos Lebensmittel zum Abholen. Der Service wird in Freiwilligenarbeit von einer engagierten Mutter betrieben. Nun will sie sogar eine «Madame Frigo» ins Oberfreiamt holen.
RAHEL ...
Die wenigsten wissen davon: In Oberrüti gibt es regelmässig kostenlos Lebensmittel zum Abholen. Der Service wird in Freiwilligenarbeit von einer engagierten Mutter betrieben. Nun will sie sogar eine «Madame Frigo» ins Oberfreiamt holen.
RAHEL HEGGLIN
Das Engagement von Emina Ramadani hat im Mai begonnen. «Ich sah in der Facebook-Gruppe Zuger helfen Zugern den Aufruf, dass Foodsaver gesucht werden. Also habe ich mich gemeldet.» Der Aufruf kam von Jasmin Schmuki, Vorstandsmitglied foodsharing Zug. Sie ist bereits seit fünf Jahren bei foodsharing und vom Konzept überzeugt: «Das Tolle an foodsharing ist, dass jeder sich beteiligen kann. Es passt in jedes Lebenskonzept.» Foodsharing heisst, dass Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können, vor dem Abfall gerettet und somit noch konsumiert werden. «Das kann der Millionär und die Person, die weniger Geld hat. Wichtig ist, dass sich niemand schämt, gerettete Lebensmittel anzunehmen.»
Enormer Warenwert
Ramadani aus Oberrüti ist in erster Linie Foodsaverin. Das bedeutet, dass sie Lebensmittel bei Betrieben abholt und dann kostenlos zur Verfügung stellt. «Der Radius, wo ich Produkte abhole, geht bis nach Zürich.» Welche Läden ihr die Waren zur Verfügung stellen, darf sie nicht sagen. Nur so viel: «Es sind Restaurants, Bäckereien, Grossverteiler oder auch Lebensmittelhändler.» Das heisst, sie holt nicht nur Roh-Waren ab, sondern teilweise auch ganze Menüs oder verarbeitete Produkte, beispielsweise Berliner von den Bäckereien. Dabei ist es erstaunlich, welche Mengen an geniessbaren Lebensmitteln die Foodsaver regelmässig abholen. «Trotzdem ist es uns wichtig hervorzuheben, dass wir sowohl für zwei Brötchen, als auch für ein Palett Tiefkühlpommes ausrücken. Im Gegenteil, wir freuen uns, wenn ein Betrieb wenig Reste hat, welche wir vor der Tonne retten müssen» sagt Schmuki, die sich neben ihrem Engagement als Vorstandsmitglied auch als Foodsaverin einsetzt. Wie häufig ein Foodsaver auf eine Tour geht, ist ihm überlassen. Das sei eben das Gute am Konzept, bestätigt Schmuki: «Jeder kann selbst entscheiden, ob er einmal im Monat Lebensmittel abholt oder dreimal pro Woche.»
Kinder helfen mit
Ramadani geht ebenfalls unterschiedlich oft auf ihre Touren. So wie es ihr Alltag als Mutter mit drei Kleinkindern zulässt. Das Schöne sei, dass sie die Arbeit mit ihren Kindern verbinden kann. «Sie helfen mir jeweils beim Einfüllen des Kühlschranks. So verstehen sie, was ich mache und weshalb. Es ist mir wichtig, sie nachhaltig zu erziehen», sagt die 33-Jährige. Mit den Kühlschränken meint sie diejenigen von Madame Frigo. Dieses Konzept ist schweizweit bekannt und bietet an verschiedenen Standorten öffentliche Kühlschränke an, die von der gesamten Bevölkerung befüllt werden können. Der nächste von Oberrüti aus ist in Mettmenstetten. Geht es nach Ramadani, soll es aber auch einen in Oberrüti geben.
Einfaches Konzept
Bei der Gemeinde stösst sie damit auf offene Ohren. «Ich finde es grundsätzlich eine gute Idee. Der Unterhalt müsste aber gewährleistet sein», sagt Patrick Troxler, Gemeindeschreiber von Oberrüti, und ergänzt: «Wenn so ein Kühlschrank auf privatem Grundstück organisiert ist, spricht sowieso nicht viel dagegen.»
Das Positive an den Madame Frigo’s ist, dass man diese Kühlschränke mit einem geringen Aufwand beziehen kann. «Man zahlt je nach Anforderungen 500 Franken Leihgebühr. Dafür kümmert sich der Verein von Madame Frigo um alle nötigen Auflagen wie beispielsweise Hygienekonzepte und Registrierung beim Kantonalen Lebensmittelamt.» Den Kühlschrank würde Ramadani am liebsten auf dem Grundstück ihres Miethauses aufstellen. Dafür braucht sie jedoch noch die Zustimmung des Eigentümers. Wenn auch er grünes Licht gibt, könnte schon bald die erste Madame Frigo im Oberfreiamt Realität sein.
Scham ist fehl am Platz
Ramadani informiert in einer privaten WhatsApp-Gruppe, wenn sie Lebensmittel zum Verschenken hat. «Im Moment sind es rund 50 Personen, die beziehen.» Anfänglich hätte sie die Produkte persönlich übergeben. Bis eine Bekannte sie darauf aufmerksam machte, dass sie es besser anonym bereitstellen soll. «Dies, weil sich viele Personen schämen, wenn sie gerettete Lebensmittel beziehen. Dabei machen sie etwas Gutes. Und dafür muss man sich nicht schämen», bekräftigt sie. Nach diesem Hinweis hat sie aber auf eine anonyme Variante umgestellt. Die Waren stehen nun bei ihr vor dem Haus und können zu jeder Tages- und Nachtzeit abgeholt werden.
Keine Verschwendung
Wer etwas abholen geht, darf so viel mitnehmen, wie er möchte. «Aber es sollte nur so viel sein, wie man wirklich konsumieren kann. Es ist ja nicht die Idee, dass wir die Lebensmittel retten und die Leute, die sie abholen, werfen sie dann trotzdem weg.»
Der Lohn für die beiden Foodsaverinnen liegt nur darin, dass sie den Menschen eine Freude machen und von den abgeholten Lebensmitteln selbst beziehen können. Hauptsächlich sind es Früchte, Gemüse und Brot. «Ich spare pro Monat über tausend Franken, die ich nicht für Lebensmittel ausgeben muss», sagt Ramadani. Der Zustand der geretteten Lebensmittel variiert. Teilweise verstehen die beiden Frauen, dass diese Lebensmittel nicht mehr verkauft werden können, weil sie faule Stellen haben. Aber vielfach seien die Esswaren in einem guten Zustand. «Manchmal ist auch nur die Verpackung kaputt und kann deshalb nicht mehr im ordentlichen Verkauf angeboten werden», sagt Ramadani.
Esswaren, die sie kostenlos zur Verfügung stellt und trotzdem von niemandem abgeholt werden, gibt sie an einen Landwirt weiter. Dieser verfüttert die Salate oder Brote an seine Tiere. «Wichtig ist, dass wir so wenig Lebensmittel wie möglich verschwenden.»
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