Eintauchen in die Welt der Geschichten
17.11.2023 Sins, KinderAm vergangenen Freitag verwandelten sich landesweit Schulen und Bibliotheken in magische Orte, wo im Rahmen der Schweizer Erzählnacht Geschichten zum Leben erwachten. Ein Anlass, der auch in Sins auf grossen Anklang stiess.
EVELYNE HEEB
Freitagabend, kurz vor ...
Am vergangenen Freitag verwandelten sich landesweit Schulen und Bibliotheken in magische Orte, wo im Rahmen der Schweizer Erzählnacht Geschichten zum Leben erwachten. Ein Anlass, der auch in Sins auf grossen Anklang stiess.
EVELYNE HEEB
Freitagabend, kurz vor sieben Uhr auf dem Schulareal Letten. Wo um diese Zeit normalerweise Dunkelheit und gähnende Leere herrschen, wimmelte es von aufgeregten Primarschulkindern. 120 Schülerinnen und Schüler der 1. bis 6. Klasse haben sich für die diesjährige Erzählnacht angemeldet. Während einige noch etwas scheu Ausschau nach ihren Freunden hielten, referierten andere bereits angeregt und mutmassten über das bevorstehende Programm: «Hoffentlich gibt es eine Schnitzeljagd wie beim letzten Mal», so der elfjährige Cedric. Zwei achtjährige Freundinnen wünschten sich schlicht eine spannende Geschichte und etwas zu basteln.
Nationales Leseförderungsprojekt
Die Schweizer Erzählnacht gehört mit rund 700 Veranstaltungen zu den grössten Kulturanlässen des Landes. Koordiniert wird das Leseförderungsprojekt vom Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien (SIKJM) in Zusammenarbeit mit Bibliomedia und Unicef. Jeweils am zweiten Freitag im November erleben über 70’000 Teilnehmende während eines Abends die Magie des Vorlesens und die Kraft von Geschichten. Das diesjährige Motto «Viva la Musica!» bot grossen Gestaltungsspielraum und wurde von den Veranstaltenden auf unterschiedlichste Art und Weise umgesetzt.
In Sins bereichert die Erzählnacht seit 2016 das Jahresprogramm. Gemeindebibliothek und Primarschule spannen zusammen und organisieren den Anlass gemeinsam. «Damit alle Altersgruppen auf ihre Rechnung kommen, bieten wir zwei unterschiedliche Programme an. Eines für die Kinder der 1. bis 3. Klasse im blauen Schulhaus, eines für die 4. bis 6. Klassen im roten Gebäude», erklärte Claudia de Pietro, Präsidentin der Bibliothekskommission. Mit viel Herzblut engagiert sie sich für die gute Sache. «Wir möchten den Kindern einen lässigen Abend ermöglichen und sie für Geschichten begeistern. So lesen sie zu Hause vielleicht selber ein Buch.»
Im Banne der Nachtigall
Die Wahl der Einstiegsgeschichte für die jüngeren Kinder fiel auf das Märchen «Die Nachtigall» von Hans Christian Andersen. Mucksmäuschenstill lauschte die Schar der lebhaften Erzählung von de Pietro über den unscheinbaren Vogel mit der wunderschönen Stimme, die zum Ende dem sterbenskranken chinesischen Kaiser das Leben rettete.
Wie ein roter Faden zog sich das Märchen durch den weiteren Verlauf des Abends. Verschiedene Ateliers war teten auf die Teilnehmenden. In einem Zimmer wurden Nachtigallen gemalt und damit Papiertüten verziert. Ella strahlte und präsentierte ihre Kreation: «Mein Vogel ist nicht braun wie in der Geschichte, er ist bunt!» Aus einem anderen Zimmer drangen fremdartige Wortfetzen und lautes Gekicher. Auf Chinesisch spielten die Kinder eine Szene aus dem Buch nach und suchten im Anschluss nach der verschwundenen Nachtigall. Und im Mehrzweckraum wähnte man sich mitten in einem dichten Wald. Mit unterschiedlichsten Instrumenten wurden Geräusche imitiert. Das Zwitschern der Vögel, das Quaken der Frösche und sogar für den heulenden Wolf fand sich ein Instrument.
Rhythmus pur mit der Zauberflöte
Nicht weniger musikalisch zu und her ging es zeitgleich bei den «Grossen» im roten Schulhaus. Lehrer Adrian Wymann erzählte die Geschichte von Mozarts weltberühmten Oper «die Zauberflöte». Der Enthusiasmus bei den Zuhörenden hielt sich anfangs – zumindest bei den Toneinspielungen – in Grenzen. Dies änderte sich schlagartig, als die Musikrichtung wechselte. Aus der klassischen Oper wurde die «Zauberflöte reloaded». Dieses neue, knallbunte Werk mit dem rappenden Papageno erobert seit 2018 die internationalen Bühnen. Mit Feuereifer, einem Kaugummi im Mund und einer hilfreichen Anleitung in den Händen, nahmen die Kinder den zweiten Teil des Abends in Angriff. Das Schreiben eines eigenen Rap-Textes. Die Herausforderung gross, das Erfolgserlebnis grösser. Beim abschliessenden Konzert präsentierten die Gruppen ihre Strophen und rappten mit grosser Leidenschaft. Cedric strahlte übers ganze Gesicht. Seine anfänglich gewünschte Schnitzeljagd war längst in Vergessenheit geraten. «Rappen ist noch viel cooler», lautete sein Fazit.
Nach über zwei Stunden nahm der gelungene Anlass sein Ende und es kehrte doch noch Ruhe ein auf dem Schulareal. Nicht ganz zur Freude aller. Ilena hätte am liebsten in der Schule übernachtet. «Schliesslich heisst es doch Erzählnacht und nicht Erzählabend.»