Ein Leben, aufgebaut auf Vertrauen
04.04.2025 SinsDie Spitex Oberfreiamt gastierte im Zentrum Aettenbühl zur 26. Generalversammlung. Nach dem geschäftlichen Teil erzählte die Gastreferentin Edith Sidler aus ihrem Leben und dem Alltag als nicht sehende Familienfrau.
IRIS CAGLIONI
Das Referat im ...
Die Spitex Oberfreiamt gastierte im Zentrum Aettenbühl zur 26. Generalversammlung. Nach dem geschäftlichen Teil erzählte die Gastreferentin Edith Sidler aus ihrem Leben und dem Alltag als nicht sehende Familienfrau.
IRIS CAGLIONI
Das Referat im Anschluss an die Spitex-GV zog viele Interessierte an, meinte Präsident Martin Abt zu Beginn des Abends. Er begrüsste die 52 Stimmberechtigten und die vielen anderen Gäste, Gemeindevertreter und natürlich die Referentin selbst, bevor die ordentliche Generalversammlung startete.
Auf zügige Art wurden die Traktanden behandelt. Sowohl der Präsident als auch die Geschäftsführerin Beatrice Scherrer informierten in ihren Jahresberichten über die Entwicklung der Spitex Oberfreiamt und auch über die erreichten Ziele. Insgesamt durfte Abt sagen, dass der Verein nach dem Grundgedanken «Der Mensch im Zentrum unserer Aktivitäten» agiert und auch so wahrgenommen wird. Dies zeigte die Auswertung der Befragung der Klienten und Mitarbeitenden.
Scherrer betonte, dass die betrieblichen Konzepte, die Grundlagenpapiere und die Arbeitsabläufe in ihrer Nachhaltigkeit geprüft und überarbeitet wurden. Ebenso wurden digitale Hilfsmittel eingeführt, was die Arbeit im Stückpunkt und auch unterwegs positiv beeinflusst. Präsident Abt und Geschäftsführerin Scherrer bedankten sich bei allen Mitarbeitenden für die wertvolle Zusammenarbeit.
Jahresrechnung und Beiträge
Die Rechnung wurde von Corinne Schindler präsentiert. Das Budget 2024 wurde um rund 75’000 Franken nicht ausgeschöpft, da die Arbeitsstunden nicht so anstiegen wie angenommen. Weiter waren Einsatzstunden in der Psychiatriepflege leicht rückläufig. Nach dem Verlesen des Revisorenberichtes wurde die Jahresrechnung einstimmig angenommen. Ebenso wurden der gleichbleibende Jahresbeitrag genehmigt und das Budget zur Kenntnis genommen.
Ersatzwahl im Vorstand
Nach fünf Jahren Tätigkeit im Vorstand demissionierte Corinne Schindler. Sie wurde mit herzlichen Worten von Präsident Abt mit einem Präsent verabschiedet. Für sie übernimmt das Amt der Finanzen Patricia Villiger aus Auw. Sie stellte sich den Anwesenden kurz vor und wurde mit grossem Applaus in den Vorstand gewählt.
Gast mit speziellen Fähigkeiten
Viele kennen sie bereits und durften ihre frohe Art schon erleben. Viele sahen sie und fragten sich, wie sie das bloss alles macht – sie sieht ja nichts. Die Rede ist von der Gastreferentin Edith Sidler, die aufgrund eines Gendefekts ihr Augenlicht verlor. Und doch ist sie in vielerlei Hinsicht selbständig und auch darauf bedacht, sich diese Selbständigkeit zu bewahren.
Abt stellte Fragen aus drei Bereichen: der Einfluss der Musik auf ihr Leben, der Krankheitsverlauf, und im letzten Teil wollte er wissen, wie sie und ihre Familie mit diesem Schicksal umgehen.
Nachdenkliche Gesichter
Es war ein Talk der besonderen Art, denn im Saal herrschte totale Stille während Sidler sprach. Diese Stille zeigte, wie sehr die Worte dieser jungen Frau die Menschen berührten. Und nicht nur die Worte, sondern auch die Art, wie Sidler ihr Leben meistert. Sie war das zweite Kind in der Familie mit diesem Gendefekt «Retinitis Pigmentosa». Sie erklärte mit einfachen Worten, was die Krankheit mit ihr machte, und dass sie heute einen Sehrest von weniger als zwei Prozent hat und damit als voll erblindet gilt. «Noch nach meiner Ausbildungszeit hatte ich ein Sehvermögen von zirka 25 bis 30 Prozent. Aber wer diese Diagnose bekommt weiss, dass es zur totalen Blindheit führt. Darum reiste ich noch so viel wie möglich. Ich musste es ausnützen, solange ich noch etwas sehen konnte.»
Musik, Familie und Akzeptanz
In der Musik versinken könne sie besonders gut. Sie lachte und meinte: «Ein Vorteil für mich, ich werde nicht visuell abgelenkt wie ihr Sehenden.» Sidler erzählte von ihrem Werdegang in der Musik und bedankte sich damit auch bei ihren Eltern. «Dank ihnen ist für mich die Musik so wichtig. Damit kann ich auch einen Beitrag in der Gesellschaft leisten. Beim Jodeln zum Beispiel zeigt sich, wie die Behinderung einfach keine Rolle spielen kann.»
Die zweifache Mutter und Familienfrau meistert ihren Alltag mit Hilfsmittel und einer sehr geschätzten Frau, die sie im Haushalt unterstützt. Zur Demonstration nahm sie ihre sprechende Küchenwaage mit. Sie zeigte den Blindenstock und die beiden Armbanduhren – eine, die akustisch die Zeit sagt, und eine, die man öffnen kann, um die Zeit zu ertasten.
«In meinem Zuhause bewege ich mich ohne Stock. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist Ordnung, da müssen auch die Kinder sehr diszipliniert sein – doch die kennen mich nur so. Weiter ist ein gutes Gedächtnis wichtig. So merke ich mir, welche Kleidungsstücke welche Farbe haben, und wo was im Haushalt seinen Platz hat.» Ihr Leben beruht auf Vertrauen in die Mitmenschen und Wertschätzung. Ihr Rat an die Besucher des Abends war: «Die Menschen sollten wieder zufriedener sein.» Ein weiser Rat von einer starken Frau, die ihr Schicksal angenommen hat und darüber redet – denn sie weiss, reden hilft. «Wir können nur verbal kommunizieren. Tut das doch auch mit uns. Wir sind auch für Hilfestellungen dankbar.»