Ein «Adieu» mit Schirm, Charme und Tränen
23.08.2024 SinsZum letzten Mal verwandelte sich vergangene Woche die alte Reussbrücke in ein Openair-Kino. Mit vier ausverkauften Vorstellungen und über fünfhundert Gästen ging die Ära Broggekino emotional zu Ende.
EVELYNE HEEB
Das knarrende Gebälk ...
Zum letzten Mal verwandelte sich vergangene Woche die alte Reussbrücke in ein Openair-Kino. Mit vier ausverkauften Vorstellungen und über fünfhundert Gästen ging die Ära Broggekino emotional zu Ende.
EVELYNE HEEB
Das knarrende Gebälk der historischen Holzbrücke über sich, das Rauschen der Reuss darunter, dazu eine Gute-Laune-Komödie auf der Leinwand. Die einmalige Atmosphäre des Broggekinos zog Jahr für Jahr nicht nur Filmliebhaberinnen und Filmliebhaber in ihren Bann. Die Besuchenden schätzten das charmante Ambiente genauso wie die entspannte, familiäre Stimmung. Man traf sich bereits vor dem Film gemütlich zu einem Getränk oder einem Flammkuchen an der Bar, plauderte, lachte. Seit Samstag gehören diese Szenen der Vergangenheit an.
Einem Geistesblitz folgend
Rückblick. Es war ein bitterkalter Februarmorgen im Jahre 2007. Videoproduzent Peter Arnold spazierte mit seinen Kindern durchs Dorf. Auf der Reussbrücke blieb er stehen. «Wie aus dem Nichts traf mich ein Geistesblitz», erinnert er sich heute zurück. «Hier könnte man Kino machen». Nachdem die Idee einige Tage gereift war, kontaktierte er die Kulturkommission. «Ich rannte quasi offene Türen ein.» Die Kommission rund um Ursula Guggenbühl und Anne-Marie Wormstetter spielte seit längerem mit dem Gedanken, ein Openair-Kino zu lancieren. Nur einen passenden Ort hatten sie noch nicht gefunden. Dann ging alles ganz schnell. Innerhalb weniger Monate stellten die drei die erste Ausgabe des Broggekinos auf die Beine. Der Erfolg war überwältigend. Im Jahr darauf koppelte das initiative Trio die Veranstaltungsreihe von der Gemeinde ab und gründete einen eigenen Verein.
Einmaliges Erfolgskonzept
An vier bis fünf Abenden pro Jahr verwandelte der Verein fortan die Holzbrücke in ein Kino. Ein ziemlich aufwändiges Unterfangen, da die Brücke tagsüber passierbar bleiben musste. «So haben wir täglich um 18 Uhr das ganze Kino auf- und um 23 Uhr wieder abgebaut», erläuterte Arnold.
Gezeigt wurden vorwiegend unterhaltsame, lustige Filme. Dramen oder Actionfilme kamen beim Publikum weniger an. Der Ticketpreis? Der blieb 17 Jahren lang unverändert bei zwölf Franken. «Wir wollten keinen Gewinn anhäufen. Einfach ein Helferessen für unsere rund zwanzig Mitglieder musste drinliegen.»
Unterwegs mit Beat Schlatter
Das einmalige Konzept faszinierte und begeisterte gar prominente Gäste. 2017 erwiesen Regisseur und Hauptdarsteller der Schweizer Komödie «Usgrächnet Gähwilers» dem Broggekino ihre Ehre. Ein Jahr später gelang es den Veranstaltenden, Beat Schlatter für den Anlass zu gewinnen. «Allerdings fiel sein Besuch beinahe ins Wasser», verriet Arnold schmunzelnd. «Eine Stunde vor Filmbeginn rief er mich an und erklärte, dass er im falschen Zug sitze.» Kurzerhand stieg Arnold in sein Auto und holte den Schauspieler und Drehbuchautor in Lenzburg ab. «Auf der Autofahrt plauderte Schlatter aus dem Nähkästchen und weihte mich in sein neustes Projekt ein. Ein Film über eine «No Billingue-Initiative», nach deren Annahme in der Schweiz nur noch Französisch gesprochen wird – «Bon Schuur Ticino».
So verwunderte es nicht, dass eben diese Komödie als krönender Abschluss auf dem diesjährigen Programm stand. Nebst den weiteren Filmen «The Holdovers», «Oh la la – wer ahnt denn sowas?» und «Wo die Lüge hinfällt».
Keine Nachfolge gefunden
«Man muss aufhören, wenn es am schönsten ist. Wir verabschieden uns mit einem weinenden und einem lachenden Auge.» Arnold verschlug es mehrmals die Sprache, als er sich am allerletzten Filmabend mit einer kurzen Rede ans Publikum wandte. Er nannte diverse Faktoren, die den Verein dazu bewogen haben, einen Schlussstrich unter das Herzensprojekt zu ziehen. Seinen Wohnortwechsel, der die Organisation erschwerte. Die gestiegenen behördlichen Auflagen und auch gewisse Ermüdungserscheinungen, die sich innerhalb des Komitees breitmachten. «Seit dem ersten Tag sind es mehr oder weniger die gleichen Personen, die hinter dem Anlass stehen. Wir haben schlicht keine Nachfolger gefunden.» Eine grosse Portion Wehmut mischte mit in seinen Worten, und verstohlen wischte sich der eine oder andere Gast eine Träne aus dem Gesicht.
Dass die Stimmung aber alsbald wieder ins Heitere drehte, dafür sorgte Beat Schlatter höchstpersönlich. Erst überraschte er die Anwesenden mit einer zweiminütigen Videobotschaft, und im Anschluss flimmerte seine höchst amüsante Komödie über die Leinwand.
Neues Format an neuem Standort
Dann war definitiv Schluss. «Mer sägid danke», steht auf den Schirmen, welche die Vereinsmitglieder als Abschiedsgeschenk verteilten. Ihre Gäste im Regen stehen lassen, das wollten sie nicht. Auch im übertragenen Sinne nicht. Denn das Ende der Ära Broggekino markiert gleichzeitig den Beginn einer neuen: Im kommenden Sommer wird Arnolds Bruder Bruno, Betreiber des Cinepol, für Kino unter freiem Himmel sorgen. Ein neues Format an einem neuen Standort.