Der Tod – ein Thema, das alle betrifft
24.10.2025 DietwilDer Samariterverein lud den Bestatter Johannes Ruchti zu einem Vortrag ein. Die Themen rund um den Tod und wie es dazu kam, dass er diesen Beruf ausübt, stiessen auf grosses Interesse. Das Vereinslokal in der Mehrzweckhalle füllte sich bis auf den letzten Stuhl.
...Der Samariterverein lud den Bestatter Johannes Ruchti zu einem Vortrag ein. Die Themen rund um den Tod und wie es dazu kam, dass er diesen Beruf ausübt, stiessen auf grosses Interesse. Das Vereinslokal in der Mehrzweckhalle füllte sich bis auf den letzten Stuhl.
IRIS CAGLIONI
Eine der bewegendsten Aussagen des Abends gab der Bestatter ganz zum Schluss. Da waren nicht mal mehr alle Zuhörer anwesend, sondern nur diejenigen, die den Leichenwagen, der auf dem Pausenplatz stand, anschauen wollten. Er erzählte, dass er zwei Kinder habe im Alter von 11 und 14 Jahren, und meinte: «Durch meinen Beruf habe ich verstanden, dass der Tod urplötzlich passiert. Dazu folgendes Beispiel: meine Kinder möchten Zeit mit mir verbringen. Ich verschiebe das, wenn immer möglich, nicht mehr auf morgen oder nächste Woche – denn es könnte ja sein, dass ich dann nicht mehr lebe.»
Ein Beruf, der Fragen aufwirft
Im Raum stand auf einem Rolli ein Sarg, auf einem Tisch fanden sich nebst einem Schädel und einer Urne ein schwarzer Koffer, themenbezogene Lego-Bausätze und andere Dinge, die der Bestatter mitgebracht hatte. Am Boden fand sich eine Bahre. Das Thema war klar: Im Raum war das Thema «Tod» gegenwärtig, doch sich davor fürchten musste niemand. Der Bestatter nahm mit seiner empathischen und respektvoll professionellen Art dem dunklen Thema etwas an Düsterheit. Seine sachlichen Ausführungen waren gespickt mit einer Prise Humor. So gestaltete sich der Vortrag spannend und unterhaltsam.
Ein Beruf wie jeder andere?
Fragt man Ruchti, sagt er ja. Aber: «Es gibt zwei Arten von Bestattern. Diejenigen, die ins Geschäft hineingeboren wurden, also das Familiengeschäft weiterführen. Das sind die eher konservativen Bestatter. Und es gibt die Quereinsteiger, diejenigen, die aus Neugierde zum Beruf kamen – ich bin so einer.» Um in den Beruf des Bestatters hineinzusehen, startete Ruchti als Pikett-Mitarbeiter bei einem Bestattungsunternehmen.
Seine Art zu erzählen, zeigte den Anwesenden, dass Fragen gestellt werden durften und dass Neugierde zu Wissen verhilft. «Für diesen Beruf gibt es keine Ausbildung. Ausüben könnte ihn theoretisch jeder.» Gespräche und Diskussionen rund um den Tod sind immer noch tabuisiert. «Das sehe ich an den Reaktionen, wenn ich den Mitmenschen erzähle, was ich beruflich mache. Die einen wenden sich ab, und die anderen stellen wissbegierige Fragen.»
Es bedarf einer emotionalen Distanz
Ruchtis Arbeit beginnt mit der Meldung, dass eine Person verstorben ist und der Amtsarzt sie freigegeben hat. «Dann kommen wir.» Zwischen 80 und 90 Prozent der Todesfälle geschehen in Institutionen. Hier können sich Angehörige darauf einstellen. Die anderen Fälle sind plötzlich, also Unfälle oder Suizide. «Was immer als erstes geschehen muss, wenn jemand verstirbt, ist die Leichenschau des Amtsarztes. Je nach Sachlage muss der Leichnam in die Gerichtsmedizin überführt werden, oder wir können ihn auf den Friedhof mitnehmen.» Ruchti ist auch Polizei-Bestatter und wird daher mit allen möglichen Leichnamen konfrontiert. So erzählte er von superreichen Damen, die in ihren Villen im Bett friedlich eingeschlafen sind, mit derselben Stimmlage wie von der Wasserleiche, die nach sechs Monaten angespült wurde oder dem 17-jährigen Mädchen, welches Suizid durch Strangulation ausgeübt hat. Dabei ging es nicht darum, den Anwesenden einen Schauer zu bereiten, sondern rein um Information.
Abschied nehmen ist wichtig
Ein ganz wichtiger Teil seiner Arbeit sei es, Einfühlungsvermögen für die Hinterbliebenen aufzubringen und doch die nötige Distanz zu den einzelnen Fällen zu wahren. Angehörige haben das Bedürfnis, Abschied zu nehmen. «Und wenn der Tod im Altersheim eingetreten ist, die verstorbene Person also friedlich in ihrem Bett liegt, dann ist das in der Regel auch kein Problem – das Abschiednehmen», erzählte er mit neutralem Tonfall. «Etwas anders sieht es aus, wenn eine Person einen Unfall hatte, zum Beispiel die vorgängig erwähnte Wasserleiche. Da hatten wir das Glück, dass die Person Gummistiefel getragen hatte. So waren die Füsse für die Hinterbliebenen zu erkennen, und sie konnten Abschied nehmen.» Verabschiedungen haben etwas mit Loslassen zu tun, insbesondere dann, wenn Menschen über einen längeren Zeitraum nicht auffindbar waren. Das gibt den Familien die Gewissheit, die vermisste Person endlich gefunden zu haben und bestatten zu dürfen.
Es wurden viele Fragen gestellt
Ruchtis Ausführungen gingen weiter. Er informierte über die möglichen Arten der Bestattung, wo er die Leichname für die Bestattung herrichtete. Weiter erzählte er, wie es in einem Krematorium abläuft und dass jeder auf einem Friedhof die letzte Ruhestätte finden könne. Er zeigte Hilfsmittel, welche er verwendet, um die Toten den Hinterbliebenen präsentabel zu machen, klärte den Mythos der noch wachsenden Barthaare auf und nahm den Zuhörern immer mehr die Hemmungen, Fragen zu stellen.
Nach rund zwei Stunden regen Austausches und vielen, zum Teil auch schrecklichen Informationen durften die Interessierten noch den Leichenwagen anschauen. Danach schenkte der Samariterverein Kaffee oder Mineralwasser aus und offerierte allen Kuchen, denen das Thema nicht auf den Magen geschlagen hatte.



