Der Blick zurück – wie sich Oberrüti entwickelt hat
08.08.2025 OberrütiEinst war die zweitsüdlichste Gemeinde ein kleines Bauerndorf, in dem fast jede Familie Landwirtschaft betrieb. Franz Stöckli, der älteste Oberrüter, erinnert sich an seine Kindheit und an die Veränderungen, die Oberrüti über die Jahrzehnte durchlaufen ...
Einst war die zweitsüdlichste Gemeinde ein kleines Bauerndorf, in dem fast jede Familie Landwirtschaft betrieb. Franz Stöckli, der älteste Oberrüter, erinnert sich an seine Kindheit und an die Veränderungen, die Oberrüti über die Jahrzehnte durchlaufen hat.
RAHEL HEGGLIN
«In meiner Jugend gab es hier praktisch nur Bauern und ein paar Arbeiter», erzählt der 96-Jährige. Diese wenigen Arbeiter fanden Beschäftigung im Tiefbau oder in der Industrie, zum Beispiel bei der Papierfabrik in Cham. Der Grossteil der Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft mit Kühen, Schweinen, Hühnern und grossen Feldern. Die grösseren Bauernbetriebe hielten Zugpferde bis die Motorisierung in den 50er Jahren aufkam.
Hauptsächlich Bauernfamilien
Die sozialen Strukturen waren aber eng: Stöckli wuchs mit acht Geschwistern auf, was damals normal war: «Es gab mehrere Familien mit neun oder mehr Kindern. Die Schule war voll. 1930 wurde die Gesamtschule in Unter- und Oberstufe aufgeteilt, wobei die vier Klassen der Unterstufe damals bis 50 Schüler aufwiesen. Und das bei etwas mehr als 450 Einwohnern», lacht er. Neben den Bauernfamilien gab es in Oberrüti auch einige Handwerker. Stöckli erinnert sich an den Schneider, Dorfschmied, den Käser, den Sattler und den Bäcker. So konnte das Dorf weitgehend autark existieren.
Plötzlich gibt es Turnvereine
Der grosse Wandel begann schleichend nach dem Zweiten Weltkrieg. In den 60er und 70er Jahren entstanden erste Einfamilienhäuser. Doch die wahre Bauwelle setzte erst in den 80er Jahren ein. «Die stets steigenden Landpreise lockten zum Verkauf kleiner Dorfheimetli, die keine Existenz mehr boten. So strömten immer mehr Leute – vor allem aus der Agglomeration Zug – nach Oberrüti», erinnert sich der älteste Dorfbewohner Oberrütis. Mit dem Zuzug änderte sich das Gesicht der Gemeinde. Anfangs hielten sich die Einflüsse auf das Dorfleben zwar noch in Grenzen. Doch nach und nach engagierten sich Zugezogene auch im Gemeinderat und brachten ihre Ideen ein, was den alteingesessenen Oberrütern nicht immer gefiel.
Gut erkennbar war der auswärtige Einfluss auch im Vereinsleben. Gab es bis in die 70er Jahre nur den Kirchenchor und die Musikgesellschaft, kamen in den 90er Jahren die Theatergesellschaft und später die Turn- und Sportvereine dazu. Die konservative, katholisch geprägte Dorfgemeinschaft trat in den Hintergrund.
Ab 2000 ging es rasant
Um die Jahrtausendwende wurde das Tempo nochmals angezogen. Neue Bau zonen wurden beschlossen, und die Infrastruktur wie Schulhäuser, Turnhallen und Strassen ausgebaut. Auch die Wasser- und Elektrogenossenschaften mussten das Gebiet weiter erschliessen. Heute leben in Oberrüti rund 1’630 Einwohnerinnen und Einwohner, wovon knapp 390 minderjährig sind. Der Ausländeranteil liegt etwas über 15 Prozent.
Gross wachsen wird die Gemeinde in naher Zukunft wohl nicht mehr, da die Wohnzonen mehrheitlich ausgeschöpft sind. Grössere Überbauungsprojekte bleiben zudem aus, da die Gesamtrevision Nutzungsplanung, Siedlung und Kulturland seit rund sieben Jahren pendent ist. «In diesem Zusammenhang sind Umlagerungen von Bauzonen angedacht. Diese provisorische Fläche beträgt 0,37 Hektar. Grosse Sprünge sind aber auch auf dieser Fläche nicht möglich», sagt Gemeindeschreiber Patrick Troxler. Schlussendlich entscheidet jedoch der Souverän über die Umlagerungen.
Wachstum bei Industrie und Vereinen
Mittlerweile hat sich auch die Industrie in Oberrüti ausgebreitet. Die meisten Firmen sind im Gebiet rund um den Bahnhof angesiedelt. Sie bieten über 300 Personen in national und international tätigen Bereichen einen Arbeitsplatz, wie aus dem Imagefilm der Gemeinde hervorgeht. Auch das Vereinsleben hat sich weiter ausgedehnt. So gibt es heute knapp 20 Vereine für Kultur, Gesellschaft und Sport.
Geschichte der Gemeinde
Erstmals urkundlich erwähnt wurde Oberrüti im Jahr 1236 als «Ruty». Der heutige Name, der sich auf eine gerodete Fläche (Rüti) bezieht, weist auf den Ursprung als Rodungsgebiet hin. Im Mittelalter war Oberrüti Teil der Herrschaft der Habsburger, 1415 kam es mit dem Freiamt unter die Kontrolle der Eidgenossen. Nach dem Untergang der Alten Eidgenossenschaft wurde Oberrüti 1803 im Rahmen der Mediationsverfassung Teil des Kantons Aargau. Die Gemeinde war bis weit ins 20. Jahrhundert hinein stark katholisch geprägt, was sich in der Dominanz der Kirche im Dorfleben widerspiegelte. Die imposante Pfarrkirche St. Rupert, ursprünglich im 13. Jahrhundert erwähnt und später mehrfach umgebaut, ist bis heute ein Wahrzeichen von Oberrüti.