Der Blick zurück – wie sich Mühlau entwickelt hat
14.08.2025 MühlauSeit Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die 80er Jahre schwankte die Einwohnerzahl zwischen 580 und 700 Personen. Seit 1980 stieg die Zahl steil an. Heute leben in der noch immer ländlich geprägten Gemeinde 1’367 Personen.
IRIS CAGLIONI
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Seit Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die 80er Jahre schwankte die Einwohnerzahl zwischen 580 und 700 Personen. Seit 1980 stieg die Zahl steil an. Heute leben in der noch immer ländlich geprägten Gemeinde 1’367 Personen.
IRIS CAGLIONI
Aufgrund der Nähe zu den Städten Zug und Luzern erfuhr Mühlau in den letzten Jahrzenten eine rege Bautätigkeit. Die Gemeinde besteht aus mehreren Ortsteilen. Die Hauptsiedlung liegt rund einen halben Kilometer vom Ufer der Reuss entfernt am östlichen Ausläufer des Lindenbergs.
Etwas südlich von der Hauptsiedlung entfernt und leicht erhöht auf einer Terrasse liegt der Ortsteil Krähenbühl, der in den letzten Jahren mit Mühlau zusammengewachsen ist. Mit jeweils rund einem Kilometer Distanz zum Dorfzentrum liegen nordnordöstlich der Weiler Schoren und nordnordwestlich der Weiler Kestenberg.
Im Dorf angesiedelt waren früher die üblichen Betriebe, die für das Bauerngewerbe unabdingbar waren wie zum Beispiel ein Schreiner, ein Wagner, eine Poststelle. Dann gab es die Metzgerei, die Käserei und ein Lebensmittelgeschäft. Heute müssen die Mühlauer froh sein, wenn ihr Volg mit integrierter Post bestehen bleibt. Die Bankfiliale und die Käserei sind bereits Geschichte.
Keine lockere Kindheit
Vom Kestenberg kommt Erwin Giger, 1936 geboren. Aufgewachsen ist der alteingesessene Mühlauer auf dem elterlichen Kleinbauernhof als eines von drei Kindern. «Meine Mutter hatte es sehr schwer. Zwei von drei Kindern starben. Meine Schwester starb als Baby und mein Bruder im Alter von sechs Jahren.» Aufgewachsen während des zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit erinnert sich Giger noch sehr genau, wie schwer es war. «Wir waren damals wirklich arm. Die Arbeit auf dem Hof war für meine Eltern mühsam, das kann man sich nicht mehr vorstellen heute. Zu unserem Hof gehörten sieben bis acht Milchkühe, davon waren zwei gute Zugkühe. Auch hatten wir ein bis zwei Rinder. Zum Fuhrpark gehörten zwei vierrädrige Unterwagen mit Eisenrädern, ein grosser und ein kleiner Brückenwagen mit Leitern, je eine Schubkarre für das Gras, den Mist und die Gülle. Dann hatten wir ein Güllenfass, eine Holzegge und einen hölzernen kleinen Vorpflug und natürlich diverse Schaufeln, Rechen und Sensen.» Eindrücklich erzählt er, wie streng die Zeit insbesondere während der Ernte war und wie viel davon in Handarbeit erledigt wurde.
Er wollte weg von der Landwirtschaft
Zur Schule ging Giger fünf Jahre in Mühlau und vier Jahre in die Bezirksschule nach Muri. «Zwischen der Schulzeit und meiner Ausbildung ging ich ein Jahr nach Chexbres VD, um Französisch zu lernen. Ich wollte auf keinen Fall Bauer werden. Unser Hof war verschuldet. Meine Eltern verkauften ihr Ackerland, doch der Erlös reichte nicht aus, um alle Schulden zu tilgen.» Gigers Vater hörte auf mit der Landwirtschaft und fand Arbeit in der Waggonfabrik in Schlieren.
Wenig Ausbildungsmöglichkeiten
Gigers Vater verschaffte ihm dort einen Ausbildungsplatz zum Maschinenschlosser. «In Mühlau gab es keine Industrie und somit keine Möglichkeit für eine solche Ausbildung. In der Nähe war nur in Sins die Lonza, und dort konnte man keine Ausbildung machen. So war ich froh um diese Chance in der ‹Waggi› eine Lehre zu machen, auch wenn der Arbeitsweg lang war.» Heute gibt es in Mühlau etliche Betriebe, die Lernende ausbilden. Gewerbe und Dienstleistungen, die für die Bevölkerung dienlich waren, gab es schon immer. Genauso wie Gasthäuser. Giger erinnert sich: «Das waren der Storchen und der Löwen, der heute die NL-Bar ist. Hier endeten auch die kirchlichen Dorfprozessionen. Nicht selten gab es dann im Löwen für die Musikanten noch ein Gratisgetränk.»
Heute gibt es in Mühlau noch 25 landwirtschaftliche Betriebe und ein gesundes Gewerbe. Gemäss statistischen Erhebungen von 2015 sind rund 24 Prozent der existierenden Arbeitsplätze in der Landwirtschaft angesiedelt, 37 Prozent in der Industrie und 39 Prozent in der Dienstleistung.
Vereinsleben statt Politik
Trotz langem Arbeitsweg blieb noch Zeit für Vereine. Giger spielte einige Jahre Euphonium und erzählt mit Stolz in der Stimme, dass er täglich bis zu einer Stunde übte. Doch nach fünf oder sechs Jahren hörte er auf. «Ich hatte mein Mädchen, für sie wollte ich auch Zeit haben.» Das Musiktalent Giger fand im Kirchenchor seinen Herzensverein. Er sang im Bass mit und leitete den Chor über 20 Jahre lang. Gemeindepolitisch engagierte er sich nicht. «20 Jahre lang war ich Sektionschef des Militärs und somit auch noch in der Schützengesellschaft Mitglied. Das war genügend Dienst.»
Da war die Kirche noch voll am Sonntag
Der Pfarrer und der Gemeindeammann, die hatten das Sagen im Dorf, und Giger weiss noch genau, wie voll die Kirche jeweils war. Er erinnert sich an Begebenheiten, die er als Kind beobachtete und als ungerecht empfand. Er war der Ansicht, der Pfarrer hätte hier eingreifen müssen. «Der erwachsene Sohn eines nicht mehr amtierenden Gemeindeammanns zog unruhige Jungs an den Ohren aus dem Kirchenbank und raus aus der Kirche.» Der 89-Jährige schüttelt bei der Erinnerung an diese Vorkommnisse den Kopf.
Späte Zweitausbildung
Giger heiratete und hatte vier Kinder, drei Mädchen und einen Jungen, mit seiner Frau im Elternhaus im Kestenberg. «Ich wollte nochmals etwas Neues machen, so liess ich mich zum Primarlehrer ausbilden und unterrichtete 20 Jahre lang in Merenschwand und ab 1991 bis zur Pensionierung in Muri.» Noch heute gibt es ehemalige Schüler, die ihn auf die schöne Schulzeit ansprechen und sich bedanken für seine strenge, aber korrekte Art zu unterrichten.