Der Blick zurück – wie sich Dietwil entwickelt hat
04.07.2025 DietwilIn den letzten 95 Jahren hat sich die Zahl der Einwohnenden mehr als verdoppelt. Das beschauliche Bauerndorf hat sich zum beliebten Wohnort für Zuzüger gemausert, was auch Einfluss auf die Immobilienpreise hat.
RAHEL HEGGLIN
Der älteste Dorfbewohner ...
In den letzten 95 Jahren hat sich die Zahl der Einwohnenden mehr als verdoppelt. Das beschauliche Bauerndorf hat sich zum beliebten Wohnort für Zuzüger gemausert, was auch Einfluss auf die Immobilienpreise hat.
RAHEL HEGGLIN
Der älteste Dorfbewohner ist Sales Marti mit 95 Jahren. Der Dietwiler Bürger ist im Hinterdorf aufgewachsen, in einem alten Haus, welches die Toilette draussen hatte. «Wir waren fünf Kinder. Eigentlich wären wir elf gewesen, aber sechs sind verstorben. Das gab es damals leider oft», so der Senior. Er erinnert sich an die schweren Zeiten seiner Kindheit. Sein Vater wurde krank und musste zwei Jahre lang zur Kur. Geld dafür hatte die Familie keines, die Kosten wurden von der Gemeinde übernommen.
Ländliche Gemeinde
Während seiner Kindheit gab es in Dietwil etwa 600 Einwohnende, viele davon lebten von der Landwirtschaft. «Damals hatte es mindestens 50 Bauernfamilien, heute sind es vielleicht noch zwei oder drei», sagt Marti. Diese Bauern hatten früher sehr viel Einfluss, was sich an den Plänen des Bahnhofs zeigt: «Vor über hundert Jahren war eigentlich der Plan, dass der Bahnhof in Dietwil gebaut wird, und nicht in Oberrüti. Aber die Bauern wollten ihr Land dafür nicht hergeben», so der 95-Jährige.
Wer nicht in der Landwirtschaft tätig war, arbeitete in den Dorfläden oder der auswärtigen Industrie. So wie Marti, der in der Papierfabrik Perlen tätig war. Den Arbeitsweg von sieben Kilometern absolvierte er mit dem Fahrrad. Waren die Wege im Winter nicht vom Schnee geräumt, musste er zu Fuss gehen, was ihm einen Arbeitsweg von gut einer Stunde einbrachte.
Das Dorf war mit sechs Läden reich belebt. Es gab zwei Bäckereien, eine Käserei, eine Spenglerei, eine Schmitte sowie einen Schuhmacher. «Alles ist verschwunden. Heute gibt es nur noch den Volg», so Marti.
Die Immobilienpreise sind massiv gestiegen
Der erste grosse Wandel kam in Dietwil mit den Zuzügern in den 70er Jahren. Diese wurden vor allem aus dem Zugerbiet angelockt, weil die Bodenund Immobilienpreise in der ländlichen Gemeinde viel tiefer waren. So kostete in den 1970er Jahren ein Quadratmeter Boden rund 120 Franken. Ein Einfamilienhaus mit viel Umschwung konnte für rund 250’000 Franken realisiert werden. Aus heutiger Sicht ein Schnäppchen, bedenkt man, dass ein Einfamilienhaus in Dietwil mittlerweile rund 1,5 Millionen Franken kostet, wie ein Blick in die gängigen Immobilienportale zeigt. «Noch günstiger wäre es in den 1950er Jahren gewesen. Damals konnte man ein Haus mit 35’000 bis 50’000 Franken bauen», erzählt Marti.
Die Weitsicht verbaut
Merklich gewachsen ist die Gemeinde seit den 90er Jahren. Wo Marti früher von seinem Haus aus auf Wiesen schaute, steht heute ein ganzes Einfamilienhaus-Quartier. Anfänglich habe es im Dorf teilweise schon Spannungen mit den Neuzuzügern gegeben, aber das habe sich gelegt. Marti hatte gemäss eigenen Aussagen nie Probleme mit den Auswärtigen. Er könne mit allen Menschen gut reden, egal welche Herkunft oder welche Religion sie haben.
Mit dem Bevölkerungswachstum wurde auch das Vereinsleben belebt. So gab es bis zu den 90er Jahren nur eine handvoll Vereine, darunter den Frauenverein, den Schützenverein, den Kirchenchor und die Musikgesellschaft. Heute gibt es fast dreissig Vereine. Wobei einige auch nur ein paar wenige Mitglieder haben.
Bevölkerung und Demografie
Ende 2024 zählte Dietwil 1’430 Einwohnende. Die Altersverteilung zeigt, dass über 34 Prozent der Bevölkerung unter 20 Jahre alt ist. Etwas mehr als die Hälfte, nämlich rund 53 Prozent, sind zwischen 20 und 65 Jahren und rund 13 Prozent sind 65 Jahre oder älter. Der Ausländeranteil beträgt mehr als 19 Prozent, wobei die grössten Gruppen aus Deutschland, Italien und Portugal stammen.
Geschichtliches
Die erste urkundliche Erwähnung des Ortsnamens «Tietwilare» stammt aus dem Jahr 1236. Der Name lässt sich als «Hofsiedlung eines Tio oder Dieto» deuten, was auf einen alemannischen Ursprung hinweist.
Im Mittelalter war Dietwil Teil der Herrschaft Meienberg und wurde später unter Habsburger Kontrolle gestellt. Ab dem 15. Jahrhundert wechselte der Ort mehrfach die Herrschaft, bis er im Jahr 1415 durch die Eroberung des Aargaus an die Eidgenossen fiel. Während der Helvetik und des anschliessenden Übergangs zum Kanton Aargau im Jahr 1803 wurde Dietwil endgültig in die neue politische Ordnung der Schweiz eingebunden.
Sommerserie
In den nächsten Ausgaben blicken wir zurück auf die Geschichte und Entwicklung der sieben Oberfreiämter Gemeinden. Dies anlässlich unserer Sommerserie.