Der Blick zurück – wie sich Auw entwickelt hat
18.07.2025 Auw«Da wo heute die Metzgerei Huwyler ist, war früher die Käserei. 42 Jahre lang habe ich sie geführt», erzählt Marie Villiger-Bütler, auch bekannt als Käsi-Marie. Sie gehört zu den ältesten Einwohnern in Auw.
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«Da wo heute die Metzgerei Huwyler ist, war früher die Käserei. 42 Jahre lang habe ich sie geführt», erzählt Marie Villiger-Bütler, auch bekannt als Käsi-Marie. Sie gehört zu den ältesten Einwohnern in Auw.
IRIS CAGLIONI
Am 15. Januar 1930 kam sie als drittes von neun Kindern zur Welt. Aufgewachsen ist sie auf dem elterlichen Hof, der mitten im Dorf angesiedelt war. Das grosse Haus mit den dunkelgrünen Fensterläden steht heute noch, ist schon längere Zeit ein Wohnhaus mit mehreren Wohnungen.
Arbeiten lernte Villiger bereits in der Schulzeit. «Wir hatten alle ein Ämtli, das nach dem Mittagessen zu erledigen war. Am Nachmittag, nach der Schule und den Hausaufgaben ging es natürlich weiter – alle mussten auf dem Hof mithelfen. Die 95-Jährige lacht und erzählt, wie sie auf dem Feld half, die Garben schön zu bündeln. Auch Obst auflesen war so eine Aufgabe und natürlich im Haushalt helfen. «Wir Mädchen mussten schon viel arbeiten auf dem Feld und im Haus, die Buben denke ich, hatten es etwas einfacher.»
Schule und Ausbildung
Marie Villiger absolvierte die obligatorischen acht Schuljahre in Auw. «Fräulein Rey war die Lehrerin der 1. und 2. Klasse. Auf die Bezeichnung Fräulein legte sie immer grossen Wert. Für die 3. bis 5. Klasse war der Lehrer Andermatt zuständig – alle drei Klassen zusammen in einem Zimmer, das waren zum Teil bis zu 65 Schülerinnen und Schüler. Wir haben gelernt, still zu sein, anders wäre das nicht gegangen», erzählte die 95-Jährige. Die 6. bis 8. Klasse wurde von Lehrer Jauch unterrichtet. Wer konnte und durfte, ging in die Bezirksschule nach Sins. «Ich durfte nicht, wir Mädchen mussten daheim helfen.» Das alte Schulhaus stand gegenüber dem heutigen «Trentini». Bereits 1939 wurden Pläne für ein grösseres Schulhaus gemacht. Gebaut werden konnte erst nach Kriegsende. Vier mögliche Standorte standen zur Auswahl. 1956 wurde das neue Schulhaus feierlich eingeweiht. Noch heute wird darin unterrichtet. 1972 und 2005 kamen die Kindergärten dazu, 2008 der Schulhauserweiterungsbau.
Berufliche Perspektiven jener Zeit
«Eine Ausbildung? Nein, das gab es nicht für mich», so Villiger. War ein Mädchen aus einer Bauernfamilie flink im Haushalt, dann war das ihre Bestimmung. «Wir wurden an Familien abgegeben, um dort zu haushalten. Man könnte sagen, wir wurden für eine Zeitlang ausgeliehen.» So kam Villiger mit 17 Jahren in die «Fuchshalde» zum Haushalten. «Meinen Lohn bekam ich erst Jahre später, da hatte ich selbst bereits drei meiner acht Kinder.» Eine Zeitlang arbeitete Villiger auf diese Weise auch in Escholzmatt. «Ich wollte weg aus Auw und gab ein Inserat in der Zeitung auf. Das hat aber nicht so richtig geklappt. 1953 heiratete ich meinen Mann Josef.»
Geschäfte im Dorf – alles war erhältlich
Villiger und ihr Mann übernahmen 1957 die Käserei und führten sie 42 Jahre lang. Daher auch ihr Spitzname Käsi-Marie. «Solche Spitznahmen hatten viele Auwer, leider ist das verloren gegangen» bedauert Marlis Villiger, Gemeindeammann von Auw.
Damals gab es auch drei Restaurants: die Linde, den Ochsen und den Hirschen. Einkaufen konnte man im Volg, beim Bäcker oder in der Metzgerei und im Usego. Es existierten auch etliche Handwerksbetriebe wie die Sattlerei, der Coiffeur, die Schuhmacherei oder die Schreinerei und Schmitte, ebenso Dienstleister wie die Post, die Raiffeisenkasse. Auch im Ortsteil Rüstenschwil gab es eine Poststelle. Alle diese wichtigen Geschäfte waren an der Aarauerstrasse angesiedelt. Was nicht im Dorf erhältlich war, kaufte, wer es vermochte, in der Stadt. Villiger erinnert sich: «Geld war nicht viel da. Meine Mutter gab mir manchmal zehn Franken, damit ich zum Coiffeur konnte – soviel kostete eine Dauer welle.»
Vereine gab es schon immer
Nur hatte Villiger nicht viel Zeit dafür. Damals gab es den Frauenbund, die Männerriege, die Musikgesellschaft, die Schützengesellschaft und den Kirchenchor. Mit Stolz erzählte sie: «Ich war 75 Jahre lang Mitglied im Kirchenchor.» Mit dem Bau des Mehrzweckgebäudes wurde ein grosser Bedarf der Bevölkerung, aber auch der Feuerwehr und des Zivilschutzes gedeckt. Auch heute besitzt Auw ein reges Vereinsleben. Aktiv registriert sind aktuell 21 Vereine.
Gemeinde
Die Gemeinde musste jahrzehntelang sparsam sein. Erst seit 1956 verfügte Auw über ein eigenes Gemeindehaus mit einem Büro für die Kanzlei und mit einem Sitzungsraum. Vorher wurde in den privaten Räumen der Amtsinhaber und im Schulhaus geamtet. Bis in die 70er Jahren waren gewisse Verwaltungsbereiche ausgelagert. 1985 wurde die EDV eingeführt und der Personalbestand von einer halben Stelle auf zwei Vollstellen plus einer Ausbildungsstelle aufgestockt. Damals wohnten in Auw etwas über 1’000 Personen.
Ende 2024 wohnten in der Gemeinde 2’311 Personen mit einem Ausländeranteil von 22 Prozent. Kantonale Erhebungen zeigten, dass vor zweieinhalb Jahren mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen Wegpendler waren. Von den rund 600 Arbeitsplätzen in der Gemeinde waren 15 Prozent in der Landwirtschaft, 35 Prozent in der Industrie und knapp 50 Prozent im Dienstleistungssektor angesiedelt. «Das entspricht plus/minus auch noch den heutigen Zahlen», informiert Gemeindeammann Villiger. Heute, 40 Jahre später, sind fünf Personen bei der Gemeindeverwaltung angestellt, zusätzlich werden zwei Lernende ausgebildet.



