Fussball-Frauenpower aus Muri und der Löwe
12.09.2025 MuriGleich zwei Murianerinnen waren an der Fussball-EM im Sommer in der Schweiz im Einsatz. Julia Stierli und Alayah Pilgrim schafften es dabei bis ins Viertelfinale.
EDI WIDMER
Sie kommen aus Muri und spielen zusammen in der Schweizer Fussball-Nati. Das war’s ...
Gleich zwei Murianerinnen waren an der Fussball-EM im Sommer in der Schweiz im Einsatz. Julia Stierli und Alayah Pilgrim schafften es dabei bis ins Viertelfinale.
EDI WIDMER
Sie kommen aus Muri und spielen zusammen in der Schweizer Fussball-Nati. Das war’s dann aber mit den Gemeinsamkeiten. Alayah Pilgrim spielt im Sturm und ist eine gefragte Influencerin. Auf Instagram hat sie über eine halbe Million Follower, und mit TikTok Werbevideos verdient sie inzwischen bedeutend mehr Geld als mit Fussballspielen.
Und während zu Hause bei Mama Pilgrim in Muri ein echter Löwe im Wohnzimmer steht, geht es bei Julia Stierli etwas gemächlicher zur Sache. Sie ist Verteidigerin und macht einen grossen Bogen um Social Media. Wenn sie in Muri ist, verbringt sie die Zeit am liebsten mit ihren Eltern im Garten und isst Tomaten, die ihr Vater vor dem Haus gepflanzt hat.
Stierli wuchs im Klosterdorf auf und ging hier zur Schule bis in die 7. Klasse. Bereits mit acht Jahren begann sie ihre Fussballkarriere beim FC Muri. Ihr Talent blieb nicht lange verborgen. Nach der 7. Klasse wurde sie ausgewählt, zwei Jahre im Schweizer Ausbildungszentrum im Kanton Bern zu verbringen. Nur etwa zehn Mädchen pro Jahrgang bekommen diese Chance. Stierli hat sie genutzt und wechselte danach zum FC Aarau.
Auch in Aarau ging es für die Murianerin rasch vorwärts. Bereits mit 17 wechselte sie zum FC Zürich. In Zürich gefiel es ihr so gut, dass sie zehn Jahre beim Stadtclub blieb. In dieser Zeit absolvierte sie gleichzeitig das Physiotherapie-Studium an der ZHAW in Winterthur. «Es war nicht einfach, das Studium mit dem Fussball zu verbinden», sagt Stierli.
Der Wechsel ins Ausland
Trotzdem hat sie beides geschafft und wechselte im letzten Jahr ins Ausland zum SC Freiburg. «Hier ist alles noch professioneller», erzählt die 28-Jährige. In Deutschland ist sie Profi und kann zum ersten Mal vom Fussball leben. «Bis vor einigen Jahren haben mich meine Eltern noch finanziell unterstützt», sagt sie. Reich wird sie davon nicht, dafür hat sie mehr Zeit für die Regeneration und lebt in ihrer eigenen Einzimmerwohnung.
Wenn es ihr Zeitplan erlaubt, geht sie immer wieder gerne zurück nach Muri in ihre Heimat und besucht dort ihre Eltern. «Ich kenne mich in Muri sehr gut aus, aber kenne verhältnismässig eher wenig Leute hier», sagt sie über den Ort, wo ihr das fussballerisches Talent in die Wiege gelegt wurde. Ihr Vater Markus spielte jahrzehntelang beim FC Muri. Ihr älterer Bruder Tobias war zu Beginn ebenfalls im Verein und ebenso ihre gleichaltrige Cousine Michelle, mit der sie zusammen beim FC Muri und in der U-Nati gespielt hatte.
Nur die Mutter Irene war selbst nicht die grösste Wettkampfsportlerin. «Dafür habe ich von ihr den Perfektionismus und das Pflichtbewusstsein mitbekommen», erzählt Stierli. Wohl auch die Diplomatie, liess die Mutter doch die Kinder bei den familiären Brettspielen extra gewinnen, damit die Kirche im Dorf blieb.
Viel gewonnen hat die Fussballerin auch in diesem Sommer an der Heim-EM. Bereits im Eröffnungsspiel stand sie in der Startformation. In der 58. Minute erzielte sie sogar das Siegestor. Leider auf der falschen Seite. «Man muss damit umgehen können», erklärte sie, «das war eine Aktion in 90 Minuten.» Im zweiten Spiel erzielte auch Pilgrim ein Tor und dank eines Unentschieden im letzten Gruppenspiel erreichte die Schweizer Frauen-Nati den Einzug ins Viertelfinale. Dort war dann gegen Spanien Endstation.
Alle wollten noch länger bleiben
«Die Heim-EM war ein einmaliges Erlebnis», schwärmt Stierli heute noch von den Eindrücken aus den ausverkauften Stadien. Sie war sehr positiv überrascht, dass in der Schweiz so eine grosse Euphorie wegen des Frauenfussballs entstanden ist. Zudem war der Zusammenhalt im Team sehr gut. «Ich habe mich wohl gefühlt, wir waren wie eine grosse Familie», freut sie sich, «während dieser fünf bis sechs Wochen kam kein Lagerkoller auf, alle wollten sogar noch länger bleiben.»
Leider hat alles ein Ende, und so trennten sich auch die Wege von Stierli und Pilgrim nach der EM wieder. Pilgrim war für ein ausführliches Interview leider nicht verfügbar. Sie war zu sehr beschäftigt und zudem noch in Transferverhandlungen. Klubs aus England und den USA seien an der 22-Jährigen interessiert gewesen. Bis jetzt hat sich allerdings noch kein Wechsel abgezeichnet. Sie spielt immer noch in Italien bei der AS Roma.
Aber da war doch noch etwas mit einem Löwen. An einer Medienkonferenz während der EM sagte Pilgrim: «Meine Mutter ist mit einem Löwen aufgewachsen.» Wie kam es dazu? Ihr Grossvater arbeitete als Anwalt für den Zirkus Nock. Nachdem eine Löwenmutter ihre Jungen verstossen hatte, nahm dieser die Löwenbabys bei sich auf. Allerdings überlebte nur einer. Er bekam den Namen Mauzli. Im Winter ging er mit den Pilgrims Schlitteln.
«Mein Grossvater, der auch Schulpräsident war, nahm ihn an der Leine mit in die Schule», schmunzelte Pilgrim. Später, als Mauzli grösser und schwerer wurde, musste er wegen eines gebrochenen Rückens leider eingeschläfert werden. Der Grossvater liess ihn ausstopfen und stellte ihn in der Anwaltskanzlei auf, um potenzielle Einbrecher einzuschüchtern. Schlussendlich landete der Löwe im Wohnzimmer ihrer Mutter Tanja in Muri, wo Pilgrim mit ihm aufgewachsen ist.